Nutri-Score – wie geht es weiter?
Ende September hat sich Bundesministerin Klöckner für den Nutri-Score stark gemacht. Wie geht es jetzt weiter? Was bedeutet ihre Empfehlung in der Praxis und wie entscheiden sich die Hersteller?
Am 30. September 2019 hat Bundesministerin Julia Klöckner bekannt gegeben, dass sie auf der Grundlage der Ergebnisse einer Verbraucherbefragung den Nutri-Score als zusätzliches, freiwilliges Nährwertkennzeichnungssystem empfiehlt.
Pflicht: die Nährwerttabelle
Unabhängig von der Empfehlung der Ministerin für eine Erweiterung der Nährwertkennzeichnung um ein zusätzliches Nährwertlabel, gilt weiterhin die Verpflichtung zur Nährwertkennzeichnung bei faktisch allen verpackten Lebensmitteln. Die verpflichtende Nährwertkennzeichnung findet sich in der Nährwerttabelle, in der der Brennwert/die Energie und der Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz pro 100 g/ 100 ml angegeben werden. Ausnahmen von dieser Informationsverpflichtung gibt es nur bei ganz wenigen Lebensmitteln wie etwa bei Kaffee, Tee, Essig oder auch Lebensmitteln, die in kleinen Mengen von Direktvermarktern etwa über Hofläden angeboten werden.
Freiwillig: Nährwertangaben auf der Verpackungsvorderseite („Front-of-Pack“)
Zusätzlich sieht die Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) die Möglichkeit vor, die Angaben zu Energie/Brennwert sowie Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker und Salz im Hauptsichtfeld der Verpackung (und nur da) zu wiederholen, entweder pro 100g/ml oder pro Portion. Außerdem kann man diese Angaben auch noch auf die Referenzmengen für die Zufuhr von Energie und den genannten Nährstoffen beziehen und mittels Prozentangaben den Anteil ausdrücken, den ein Lebensmittel in Bezug auf diese Referenzmengen enthält.
Freiwillig: Nutri-Score
Die Empfehlung der Ministerin zur Nutri-Score-Kennzeichnung kommt dann als zusätzliche Option hinzu. Anders als die Pflichtkennzeichnung in der Nährwerttabelle und die freiwilligen Angaben/Referenzmengenangaben enthält der Nutri-Score aber keine Angaben zu Energie/Brennwert und den genannten Nährstoffen, sondern eine Bewertung der Zusammensetzung des Lebensmittels mittels der Großbuchstaben A, B, C, D und E, die von grün (A) bis rot (E) eingefärbt werden.
Die Bewertung erfolgt mittels eines Algorithmus, der die Energiedichte und die Gehalte an Zucker, gesättigten Fettsäuren, Salz, Ballaststoffen, Eiweiß und Obst/Gemüse/Nüssen/Hülsenfrüchten und bestimmten Pflanzenölen miteinander verrechnet. Der Nutri-Score wurde in Frankreich entwickelt und wird auch dort verwaltet, so dass ggf. erforderliche Abänderungen nur dort erfolgen können. So ist dies auch zuletzt bei der Bewertung bestimmter Pflanzenöle auf Wunsch von Spanien erfolgt, um den dortigen Ernährungsgewohnheiten und der Bedeutung dieser Öle in der Ernährung Rechnung zu tragen.
Verordnungsentwurf des Ministeriums für Rechtssicherheit
Die nächsten Schritte in Deutschland sind nun zunächst die Vorlage eines Verordnungsentwurfs durch die Ministerin. Denn der Nutri-Score darf nur verwendet werden, wenn er durch eine nationale Regelung mit Empfehlungscharakter legitimiert wird. Ähnliche Regelungen sind in Frankreich und Belgien bereits erlassen worden und sind Grundlage einer legalen und rechtssicheren Verwendung des Nutri-Score. Eine Verwendung des Nutri-Score auf mehrsprachigen Verpackungen setzt dann im Übrigen voraus, dass entsprechende legitimierende Regelungen in allen Mitgliedstaaten erlassen worden sind, in denen die Lebensmittel vertrieben werden sollen.
Zeitplan für den Nutri-Score
Wenn man von einer zeitnahen Vorlage des Verordnungsvorschlags noch im November ausgeht, ergeben sich folgende zeitliche Abläufe:
- Konsultation der interessierten Kreise, insbesondere der Lebensmittelwirtschaft und der Verbraucher (Dauer ca. vier bis sechs Wochen).
- Notifizierung der Regelung nach Brüssel mit einer dreimonatigen sogenannten Wartefrist.
- Nationale Regelung tritt frühestens Ende März/Anfang April 2020 in Kraft.
- Für den Fall, dass im Rahmen der Notifizierung nach Brüssel ein anderer Mitgliedstaat Bedenken gegen die Regelung geltend macht, kann sich die Wartefrist auch um weitere drei Monate verlängern. Dann träte die Regelung erst zur Jahresmitte 2020 in Kraft.
Wie entscheidet die Wirtschaft?
Es wird dann die Entscheidung jedes einzelnen Lebensmittelunternehmens sein, ob es zusätzlich zur Pflichtkennzeichnung und ggf. in Ergänzung oder anstelle der Referenzmengenangaben auch die Nutri-Score-Kennzeichnung verwendet.
Im Rahmen der Regelungsdiskussion aber auch bei der Entscheidung jedes einzelnen Lebensmittelunternehmens für oder gegen den Nutri-Score wird es wie in Spanien ganz entscheidend darauf ankommen, ob die Nutri-Score Berechnungsgrundlage auf die Produktzusammensetzung und die Ernährungsgewohnheiten in Deutschland „passt“, oder ob Anpassungen erforderlich werden, um Widersprüche zu geltenden Ernährungsempfehlungen hierzulande zu vermeiden.
Diese und weitere Fragen müssen nun im Rahmen der Diskussion des nationalen Regelungsentwurfs diskutiert und gelöst werden, um eine rechtssichere Anwendung zu gewährleisten und eine fundierte Entscheidung in Sachen Nutri-Score treffen zu können.