Interview mit Tony B., Verfahrenstechnologe der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft
Wie sieht eigentlich die Arbeit eines Müllers heute aus? Tony B. erklärt, wie er zu seinem Beruf gekommen ist, was eine „Müllerrunde“ beinhaltet und warum man bei der Getreideverarbeitung meist eine Maus in der Hand hat.
Welche Ausbildung haben Sie durchlaufen?
Nach dem Abitur habe ich eine dreijährige duale Ausbildung begonnen. Die Ausbildung findet in einem gewählten Betrieb, wo größtenteils die praktischen Kenntnisse erlernt werden, und der Berufsschule, wo die fachlichen und theoretischen Kenntisse ergänzend vermittelt werden, statt. In meinem Fall war das bei der Kampffmeyer Milling Group, Werk Schüttmühle Berlin-Spandau, und in der Berufsschule für Müllerei BBS II Gifhorn Abt. Müller in Wittingen.
Es gibt zwei Berufsschulen in Deutschland, wobei die ebengenannte für die nördlichen Bundesländer Deutschlands und die Meisterschule der Gewerblichen Schule im Hoppenlau in Stuttgart für die südlichen Bundesländer gilt. Der Unterricht findet in Blockunterricht statt. Dafür sind zweimal sechs Wochen pro Jahr veranschlagt. Unter bestimmten Bedingungen, zum Beispiel bereits abgeschlossene Ausbildung oder Abitur, kann die Ausbildungszeit auf zwei Jahre verkürzt werden. Es empfiehlt sich aber, anhand des Umfangs der theoretischen Aspekte, die dreijährige Ausbildung zu machen. Wie in Handwerksberufen üblich, findet auch hier eine Zwischenprüfung statt. Am Ende folgt die Gesellenprüfung der jeweiligen Handwerkskammer.
Wie geht es nach der Ausbildung weiter?
Nach erfolgreichem Abschluss erhält man seinen Gesellenbrief und kann sich dann Müller nennen. Danach bieten sich viele Möglichkeiten: Man kann zum Beispiel den Meisterbrief machen oder an der Deutschen Müllerschule Braunschweig in vier Semestern den Abschluss zum Staatlich geprüften Techniker mit dem Schwerpunkt müllereibezogene Verfahrenstechnik bzw. Anlagenbau erwerben. Die Meisterschule der Gewerblichen Schule Im Hoppenlau (Stuttgart) bietet die Möglichkeit, in Kooperation mit der 'Schweizerischen Müllereifachschule St. Gallen' in einer zehnmonatigen Ausbildung den Meisterbrief im Müllerhandwerk und den Titel Diplomierter Müllereitechniker SMS zu erwerben.
Welche Voraussetzungen muss man für diesen Beruf mitbringen? Woran sollte man Freude haben?
Neben einem guten Realschulabschluss sollte man auf jeden Fall gute Kenntnisse in Mathematik, Deutsch und den Naturwissenschaften, also Physik, Biologie und Chemie, aufweisen. Technisches Verständnis und Interesse am Umgang mit Maschinen ist von Vorteil. Räumliches Denken kann hierbei vieles vereinfachen. Freude an der Arbeit mit Naturprodukten, aber auch Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein sind im Umgang mit dem Lebensmittel Getreide von besonderer Bedeutung. So ist zum Beispiel auf die richtige Lagerung des Getreides und der Fertigprodukte zu achten, um etwa Brandgefahren zu minimieren. Außerdem sind die lebensmittelrechtlichen Vorschriften einzuhalten.
Entscheidungsfähigkeit ist nötig, um etwa bei Störungen in den automatisierten Produktionsanlagen rasch eingreifen zu können. Kenntnisse in Mathematik sind zum Beispiel für das Berechnen von Mischungsverhältnissen oder das Ermitteln von Lagerbeständen nötig. Hilfreich sind Kenntnisse in Biologie und Chemie, wenn es beispielsweise um das richtige Prüfen, Verarbeiten und Lagern der Rohstoffe geht. Man sollte auch in gewissem Maße körperlich belastbar sein und keine Allergieneigung zeigen. Die Bereitschaft zur Teamarbeit wird gern gesehen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
In unserer Mühle haben wir seitens der Müller drei Teilbereiche und es wird nach einem Zweischichtsystem gearbeitet. So gibt es das Getreidesilo, in welchem die Annahme der Rohstoffe und Verarbeitung der Nachprodukte stattfindet, die Mühle, wo die Produktion grundsätzlich stattfindet, und das Mehlsilo, das für Lagerung und Verladung der Produkte zuständig ist. Ich bin in der Mühle tätig.
Und so beginne ich meinen Tag, dass ich mich nach Ankunft an der Mühle in der Früh entsprechend in die eigene Berufskleidung werfe. Ich achte darauf, Uhren und Schmuck abzulegen, Sicherheitsschuhe anzuziehen und eine Haube für den Kopf aufzusetzen. Dann kann es losgehen:
Ich gehe über unsere Hygieneschleuse mit Schuhputzanlage und Handdesinfektion in Richtung Schaltwarte, dem Leitstand einer Mühle. Dort kann ich mir anhand unseres sehr modernen Prozessleitsystems, dem Programm, mit dem die Mühle gesteuert und überwacht wird, einen schnellen Überblick über die laufende Produktion und die nächsten Aufträge machen. Der Kollege der Spätschicht hat zudem die täglich erstellte Vermahlungsplanung und sein Schichtprotokoll bereitgelegt, damit ich nachvollziehen kann, was getan wurde und was zu tun ist, ob es Störungen gab oder ob beispielsweise Sonderbestellungen wie Backschrot oder ähnliches zu erledigen sind. Somit sind auch die nächsten Aufgaben sofort klar. Wie in der Müllerei üblich, kommt vor jeder Vermahlung natürlich die Reinigung des Getreides. Demnach haben wir zum einen Reinigungs- und zum anderen Vermahlungsaufträge, welche von mir überprüft, geplant und angepasst werden.
Wir haben drei Mühlensysteme in der Rosenmühle, wovon zwei Systeme Weizenmühlen sind und die andere eine Roggenmühle. Von diesen entleere ich die über Nacht gelaufenen Probenehmer, welche Mehlproben nach einer bestimmten Zeitvorgabe aus dem laufenden Produktionsstrom ziehen. Diese Muster werden dann in die Versuchsbäckerei und das Labor zur weiteren Untersuchung und dem üblichen Probebacken gebracht. Somit gewährleisten wir eine gleichbleibende Qualität. Man kann sagen, dass kein Mehl unsere Mühle verlässt, bevor es nicht unseren eigenen Qualitätsstandards und denen der Kunden entspricht.
Es folgt die berühmte „Müllerrunde“, wo ich durch die komplette Mühlenanlage schaue, um somit Störungsfreiheit und Sicherheit zu gewährleisten. Ich überprüfe bei den Reinigungen den Sieb- und Windabstoß und korrigiere nach, falls etwas nicht stimmt bzw. Handlungsbedarf besteht. Immerhin ist Getreide ein Naturprodukt und es gleicht nun mal kein Korn dem anderen. Ich schaue nach den Füllständen der Mehlbehandlungsmittel und fülle diese nach, reinige die Magneten und kontrolliere die Arbeitsweise des Steinauslesers, um nur einige Aufgabenbereiche zu nennen. Nebenbei kümmere ich mich natürlich um den hygienischen Aspekt und achte auf Sauberkeit in der Anlage. Wo gearbeitet wird, fallen bekanntlich Späne, und so kann es vorkommen, dass einmal etwas Getreide oder Mehl irgendwo liegt, welches dann fachgerecht von mir entsorgt wird. Da wir ein sehr moderner Betrieb sind, laufen viele Prozesse personalfrei und automatisch ab und zudem in einem geschlossenen System. So bleibt das Produkt vor Verunreinigung und Ähnlichem geschützt.
Zurück in der Schaltwarte kann ich anhand der Visualisierung, neben dem Prozessleitsystem ein weiteres Computerprogramm, das die ganze Anlage in verschiedenen und in Rubriken unterteilten Bildern in Echtzeit zeigt, die Mühlen beobachten und überwachen. Sie zeigt den aktuellen Zustand jeder Maschine an, also ob sie läuft (grün) oder steht, bei einer Störung (rot) zum Beispiel. Da wir kontinuierlich produzieren, ist meistens alles im „grünen“ Bereich. Doch wie in allen Betrieben kommen auch Wartungsarbeiten vor, wo ich dann auch zupacke und dafür sorge, dass die Produktion schnell wieder anlaufen kann.
Findet in meiner Schicht ein Wechsel auf ein anderes Produkt statt, kümmere ich mich um den reibungslosen Übergang. Vieles läuft automatisch ab, doch müssen hier und da ein paar Klappen umgestellt werden. Ist das erledigt, nehme ich nach einiger Zeit ein Muster und überprüfe mittels einer sogenannten Pekarprobe die Vermahlung, die Farbe des Mehles und ob es mit dem Referenzmuster übereinstimmt. Ist alles in Ordnung, geht wieder ein Muster ins Labor zur Mineralstoffbestimmung. Nach dieser Hülle und Fülle an Aufgaben geht die Zeit schnell rum, und so fülle ich kurz vor Ende mein Schichtprotokoll aus und bespreche dann mit meinem eintreffenden Kollegen etwaige Besonderheiten und die Planung für den restlichen Tag. Somit ist meine Schicht abgeschlossen und ich gehe mich umziehen, Mittag essen und mache Feierabend.
Nach welchen Regeln und Standards arbeiten Sie?
Ich arbeite stets nach den seitens des Betriebes erlegten Arbeitsbestimmungen und Sicherheitsvorschriften. So ist zu jedem Arbeitsplatz eine korrekte Arbeitsstellenbeschreibung vorhanden und frei zugänglich. Sie beschreibt die genauen Tätigkeitsbereiche und Aufgaben, nach denen ich dann verfahren kann. Die betriebseigenen Sicherheitsvorschriften sowie die Vorschriften von der Berufsgenossenschaft zur Unfallverhütung werden zudem dabei beachtet und sorgen für Sicherheit am Arbeitsplatz.
Da es sich um einen Lebensmittelbetrieb handelt, liegt auf der Hand, dass wir für die Bevölkerung produzieren und somit in Sachen Hygiene alles getan wird, um den hohen Standards heutzutage zu genügen und sogar zu übertreffen.
So ist klar, dass ich nicht selbst unhygienisch zur Arbeit komme, sondern gepflegt erscheine. Hierbei ist aber zu beachten, dass der Naturstoff Getreide sowie das Mehl schnell fremde Gerüche annimmt, und das ist nicht im Sinne des Kunden. Von zu viel Parfum sollte man also absehen. Die Hygienevorschriften geben auch vor, jeglichen Schmuck und Kleinigkeiten, die in den Produktionsstrom gelangen könnten, abzulegen und vor Betreten der Produktionsstätte die Hände zu desinfizieren. Kopfhauben sind Pflicht, um Verunreinigungen mit Haaren zu vermeiden. Alle weiteren Hygieneregeln sind durch die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen und den IFS, International Food Standard, geregelt.
Warum arbeiten Sie gerne für die Branche?
Ich arbeite gerne für diese Branche, weil es mir Spaß macht, mit Naturprodukten zu arbeiten und weil diese durch die natürlichen Schwankungen jedes Jahr und generell eine neue Herausforderung bieten. Ich arbeite gern im Sinne des Kunden bzw. freue mich, wenn ich die Erwartungen erfüllen und übertreffen kann. Die Müllerei ist seit Jahrhunderten stets innovativ und zukunftsorientiert. Sie bietet Abwechslung, allein weil es neben der Mehlmüllerei mehrere Sparten gibt, etwa die Mischfuttermühlen, die Reis- und Schälmühlen sowie Öl- und Gewürzmühlen. Und ich bin stolz darauf, dieses traditionelle Handwerk auszuüben, denn solange Brot gegessen wird, braucht es jemanden, der das Mehl dazu herstellt.
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