Brief an die STERN-Chefredaktion
- Der BLL hat der Chefredaktion des STERN bezüglich des Artikels „Die Zuckermafia“ in der Ausgabe 26/2013 einen Brief geschickt.
Sehr geehrter Herr Wichmann,
Zucker macht wohl körperlich nicht süchtig – dieser Schlüsselsatz in dem Artikel „Die Zuckermafia“ der STERN-Ausgabe 26/2013 hat uns gezeigt, dass Ihre beiden Redakteure Karin Prummer und Lukas Heiny uns während unseres knapp 80-minütigen Interview, das wir am 22. März 2013 geführt haben, doch zugehört haben. Umso mehr wundern wir uns über den Tenor und die Vorwürfe in dem Text. Wenn Sie doch wissen, dass Zucker nicht süchtig macht, warum schreiben Sie eine solche Abhandlung, die nichts als reine Effekthascherei ist?
Sie bezeichnen die Lebensmittelwirtschaft als Zuckermafia. Laut Duden ist die Mafia eine „erpresserische Geheimorganisation“. Diesen Vergleich verbitten wir uns. Aber vielleicht wurden Sie bei dem Titel auch inspiriert von einem Buchautor, der sein Werk mit genau diesem Untertitel im März 2013 veröffentlicht hat. In diesem Fall finden wir es natürlich schade, dass Ihre Kreativität Sie ausgerechnet beim Titelbild im Stich gelassen hat.
Sie beschweren sich, dass Ihre Interviewfragen alle abgelehnt wurden und behaupten „Wer um Gespräche bei den Firmen bittet, spürt die Nervosität, bloß kein falsches Wort.“ Fakt ist, dass Sie mit zwei der wichtigsten Fachverbände für das Thema Zucker, der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker und dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie sowie uns, dem Spitzenverband der Deutschen Lebensmittelwirtschaft, gesprochen haben. Es ist nicht unüblich, dass wir die Hersteller bei übergreifenden Themen in der Öffentlichkeit vertreten. Wir sind nicht nervös, wir haben uns 80 Minuten für Sie Zeit gekommen.
Sie arbeiten mit pauschalen Aussagen, ohne diese zu belegen. Wir könnten diverse Stellen aus dem Text zitieren. Was angebliche Gesundheitsauswirkungen des Zuckers betrifft, zählen Sie die üblichen aktuell in den Publikumsmedien diskutierten Themen auf: Zucker verursacht Diabetes, Zucker ist für Übergewicht verantwortlich, Zucker begünstig Herzkreislauf-Erkrankungen usw. An dieser Stelle möchten wir auf unseren Fragen- und Antworten-Katalog zu Zucker verweisen: Fragen und Antworten zu Zucker und Zucker-Faktencheck „Spiegel“.
Sie setzen sich mit den verschiedenen Fragestellungen jedoch nicht wissenschaftlich auseinander, sondern zitieren verschiedene, nur Ihrer These zustimmende Wissenschaftler oder erwähnen Studien, deren Studiendesign aber gar nicht bekannt ist.
Häufig werden Tierstudien heran gezogen, deren Aussagen auf den Menschen nicht übertragbar sind. Sie schreiben sogar selbst, dass Mäuse keine Menschen sind. Richtige Erkenntnis Ihrerseits, aber warum schreiben Sie dann vom Unheil, das der Zuckerbestandteil Fructose in der Leber anrichtet? Was genau meinen Sie mit hohen Dauerdosen, die hier angeblich zu einer Leberverfettung führen? Und was wollen Sie überhaupt mit diesem Satz erreichen? Dass Ihre Leser kein Obst mehr essen, weil sie Angst vor einer Leberverfettung haben? Das ist keine seriöse Berichterstattung!
Einige Zeilen später übertreffen sich die Redakteure aber selbst. Sie berichten von einer Studie, die im British Medical Journal erschien: 0,75 Kilo nehmen die Versuchspersonen im Schnitt zu, wenn sie über Wochen mehr Zucker essen. Ach was? Wer hätte das gedacht, dass man zunimmt, wenn sich die Kalorienaufnahme erhöht und der Kalorienverbrauch gleich bleibt? Überhaupt wird nicht ersichtlich, in welchen Zeitraum denn die Versuchspersonen zugenommen haben? In einer Woche? In einem Monat? Auch die Schlussfolgerung, Zucker sei also verbunden mit Adipositas und einem höheren Risiko für chronische Krankheiten, wirkt in diesem Zusammenhang absurd.
Schließlich werden wir auch nicht müde einen Vorwurf zu entkräftigen, der seit Jahren falsch durch die Medien geistert, aber offensichtlich bei Ihnen immer noch nicht angekommen ist: Nein, wir haben nicht eine Milliarde Euro ausgegeben, um die Ampelkennzeichnung zu verhindern. Die Zahl, eine Milliarde Euro, wurde vom europäischen Interessenverband FoodDrinkEurope (FDE) tatsächlich selbst genannt. Allerdings handelt es sich um die Höhe des Aufwands, den die Lebensmittelhersteller europaweit aufbringen mussten, um die freiwillige GDA-Kennzeichnung in der Praxis, also auf den Etiketten, umzusetzen. Mit politischen Aktivitäten hat diese Zahl also nichts zu tun. Eine Milliarde Euro wurden quasi für die Aufklärung der Verbraucher benötigt.
Nun wird die Ampel in Großbritannien voraussichtlich von einigen Firmen eingeführt und es wird sich zeigen, in wieweit sich das Kauf- und Konsumverhalten der Briten ändert. Wir sind gespannt auf die Wirkung der Ampelfarben, die laut Ihnen zeigen, was man unbedenklich essen kann und was nicht. Wir würden gerne mal mit Ihnen über ein paar Lebensmittel sprechen, die einen roten Punkt bekommen, wie z. B. eine Milch beim Fettgehalt oder ein Orangensaft beim Zuckergehalt. Kann man diese also Ihrer Meinung nach nicht mehr unbedenklich essen bzw. trinken? Schade, wir dachten, dass Essen Genuss ist.
Sehr geehrter Herr Wichmann, wir würden uns freuen, wenn wir Ihnen – und sehr gerne auch erneut Frau Prummer und Herrn Heiny – in einem Gespräch mit unseren Experten erklären dürften, warum es falsch ist, wichtige Nährstoffe wie Zucker, Fett oder Salz zu verteufeln, warum Lebensmittel keine Drogen sind und vor allem dass wir keine Mafia sind, sondern ein Wirtschaftszweig, der für 4,8 Millionen Menschen in Deutschland ein stabiler Arbeitgeber ist.
Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Minhoff
Hauptgeschäftsführer