Grundsatzposition der deutschen Lebensmittelwirtschaft zur Grünen Gentechnik
- Die Grüne Gentechnik wird - auf der Basis vorangegangener intensiver Forschungsarbeiten und behördlicher Prüfungen - bereits in vielen Teilen der Welt mit stetig steigender Tendenz in der agrarischen Rohstoff- und Lebensmittelherstellung angewendet. Sie ist damit auch ohne kommerziellen Anbau im eigenen Lande in Deutschland längst Realität. So kommen in Deutschland - unabhängig von der Frage der Kennzeichnungspflicht - schätzungsweise 60 bis 70 % der Lebensmittel auf unterschiedlichste Weise mit der Gentechnik in Berührung.
Ohne in der Grünen Gentechnik ein „Allheilmittel“ zu sehen, muss es nach Auffassung des BLL ermöglicht werden, die vorhandenen Innovationspotentiale dieser Schlüsseltechnologie auch in Deutschland und der Europäischen Union verantwortlich zu nutzen. Hierzu zählen die Steigerung der Produktivität der landwirtschaftlichen Erzeugung, wo dies notwendig und gewünscht ist, die Verbesserung des Schutzes der Umwelt in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung (einschließlich der Möglichkeit zur Leistung eines Beitrages zum nachhaltigen Wirtschaften), die Erhöhung von Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität und die Entwicklung bedarfsangepasster Nahrungspflanzen bzw. Lebensmittel. Aus Sicht des BLL wäre es fahrlässig, sich von einer zukunftsorientierten Technologie wie dieser auf Dauer abzuschneiden.
Ein prinzipielles Ausklinken aus oder Abschotten von den internationalen Handels- und Warenströmen führt unweigerlich zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen und europäischen Wirtschaftsraumes. Auch eine nicht zu rechtfertigende Erschwerung oder gar Verhinderung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen durch eine Überregulierung im Bereich der Regelungen zur Koexistenz oder eine unangemessene Erschwerung oder Verzögerung der EU - Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) kann daher keine realistische Option für Politik und Lebensmittelwirtschaft darstellen.
Vor diesem Hintergrund hat der BLL die Verabschiedung und das Inkrafttreten der beiden EU-Verordnungen zur Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel im April 2004 begrüßt, auch wenn innerhalb der Lebensmittelwirtschaft inhaltlich nach wie vor Vorbehalte gegen Teile der Verordnungen im Hinblick auf deren Sachgerechtigkeit und Praktikabilität bestehen. Mit den beiden Verordnungen wurde ein neuer, europaweit einheitlicher Rechtsrahmen für die Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel geschaffen. Es handelt sich dabei um einen nach langwierigen Verhandlungen zustande gekommenen politischen Gesamtkompromiss, der im Grundsatz den Entwicklungen in der internationalen agrarischen Rohstoff- und Lebensmittelherstellung Rechnung trägt und für die Unternehmen und die übrigen Marktbeteiligten mehr Rechtssicherheit für die Zukunft schafft.
Die Lebensmittelwirtschaft setzt sich seit langem für eine verantwortungsbewusste Anwendung und Weiterentwicklung der Grünen Gentechnik auf der Basis anerkannter hoher Sicherheitsstandards ein. So kann eine umfassende Bewertung der Grünen Gentechnik als Technologie nur unter Praxisbedingungen und am Markt in Deutschland bzw. der Europäischen Union erfolgen. Dazu bedarf es neben einer Wahlfreiheit auf der Nachfrageseite auch einer Wahlfreiheit auf der Angebotsseite. So muss es den interessierten Anbietern möglich sein, gentechnisch veränderte Produkte überhaupt zu erzeugen und anzubieten. Nur das Miteinander und die gegenseitige Ergänzung von Produktionsverfahren mit und ohne Gentechnik ergeben die gewünschte Vielfalt des Angebots, aus dem der Verbraucher dann seine Auswahl treffen kann und damit zugleich über die Marktanteile der einzelnen Produktionsverfahren entscheidet. Hierfür ist ein angemessener und verlässlicher rechtlicher Rahmen auf europäischer wie nationaler Ebene unabdingbar, der keine Anbauform diskriminiert und gleichzeitig die Anwendung sämtlicher Produktionsverfahren gewährleistet.
Essentiell für die Vermarktung von Lebensmitteln generell, insbesondere aber auch gentechnisch veränderter Lebensmittel ist das Vertrauen der Verbraucher. Die bislang noch zu verzeichnende Zurückhaltung der Verbraucher gegenüber manchen Produkten der Grünen Gentechnik wird vom BLL anerkannt, die zum Teil bestehenden Sorgen werden ernst genommen. Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass der Trend in Meinungsumfragen weg geht von einem simplen Ja/Nein der Verbraucher zu dieser Technologie hin zu einer differenzierenden Betrachtung einzelner Aspekte der Grünen Gentechnik. Das Internetportal www.transgen.de und die Internet-Datenbank www.biosicherheit.de werden vom BLL als begrüßenswerte Schritte zur Schaffung einer breiteren Basis sachlicher Informationen zur Grünen Gentechnik angesehen. An dieser Informationsarbeit beteiligt sich auch die Lebensmittelwirtschaft aktiv.
Darüber hinaus wendet die Lebensmittelwirtschaft die geltenden Kennzeichnungsvorschriften verantwortungsbewusst an. Sie erwartet aber, dass bei der Vermarktung von im Hinblick auf Zusammensetzung und Kennzeichnung rechtskonformen Produkten das geltende Recht auch dann respektiert wird, wenn es keinen Kennzeichnungshinweis auf die Gentechnik fordert, obwohl die Lebensmittel im weiteren Sinne mit der Gentechnik in Berührung gekommen sind. Diffamierungen und sonstige Behinderungen der einwandfreien Vermarktung solcher Produkte sind mit den Mitteln des Rechts zu unterbinden.
In jedem Falle kann der Verbraucher nur bei Herstellung der Wahlfreiheit auf der Angebots- wie der Nachfrageseite ohne Bevormundung wirklich durch sein Kaufverhalten über die Marktanteile der einzelnen Produkte und ihrer Herstellungsverfahren entscheiden.
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete an.
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Dr. Marcus Girnau
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