Zellkulturbasierte Fleischproduktion
Mit dem Ziel einer nachhaltigeren Ernährung wird die Züchtung von Fleisch im Labor seit einigen Jahren weltweit immer mehr erforscht. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei dieser Technologie?
Seit im Jahr 2013 in London der erste In-vitro-gezüchtete Burgerpatty vorgestellt wurde[1], nahmen die Investitionen in die zellkulturbasierte Fleischproduktion stetig zu. Auch in Deutschland gibt es wissenschaftliche Projekte und Start-ups, die sich mit dem Thema beschäftigen. Bis derartige Produkte auf den Markt kommen, wird es aber wohl noch eine Weile dauern, denn die Forschung hat auf viele Fragen noch keine Antwort.
Was ist die zellkulturbasierte Fleischproduktion?
Vereinfacht gesagt werden im Rahmen der zellkulturbasierten Fleischproduktion tierische Muskelzellen im Labor gezüchtet und dann zu einer Gewebemasse zusammengefügt. Das Endprodukt wird häufig unter den Stichworten In-vitro-Fleisch oder Kulturfleisch diskutiert.
Die Züchtung der Muskelzellen erfolgt im sogenannten Tissue-Engineering-Verfahren. Dabei werden Stammzellen, die zuvor per Biopsie dem Muskelgewebe eines lebenden Spendertieres entnommen wurden, in einem Nährmedium angesetzt. Danach wachsen und vermehren sich die Zellen im Bioreaktor unter optimalen Bedingungen. Entlang eines Trägergerüsts aus tierischem Kollagen, das die typische Gewebestruktur nachahmen soll, entwickeln sich die Stammzellen mit der Zeit zu Muskelfasern. Diese können dann so zusammengesetzt werden, dass z. B. „Hackfleisch“ entsteht. Unter dem Mikroskop ist das Produkt kaum von herkömmlichem Fleisch zu unterscheiden und auch ernährungsphysiologisch verhält es sich ähnlich.
Chancen der zellkulturbasierten Fleischproduktion
Befürworter der zellkulturbasierten Fleischproduktion führen folgende Gründe für die neue Technologie an:
- Tierbestand: Auch wenn nach dem heutigen Stand der Technik nicht gänzlich auf tierische Bestandteile verzichtet werden kann, benötigt man für die zellkulturbasierte Fleischproduktion deutlich weniger Tiere als für herkömmliches Fleisch.
- Gesundheit: Wenn weniger Tiere verzehrt werden, kann das Risiko der Übertragung von Antibiotikaresistenzen sowie von Krankheiten von Tieren auf Menschen (Zoonosen) vermindert werden.
- Fläche: Der Bedarf an Flächen für Futteranbau, Ställe und Weiden kann durch die Produktion im Labor reduziert werden. Allerdings werden Flächen für die Bioreaktoren benötigt.
Herausforderungen der zellkulturbasierten Fleischproduktion
Studien zeigen, dass In-vitro-Fleisch eine bessere Umweltbilanz als Rindfleisch aufweist, in dieser Hinsicht jedoch ähnlich abschneidet wie Hühnchen und schlechter als pflanzliche Fleischersatzprodukte. Grund dafür ist der hohe Energieverbrauch der Bioreaktoren.[2] Aufgrund der hohen Produktionskosten wäre im Labor gezüchtetes Fleisch derzeit auch noch nicht wettbewerbsfähig. Dies könnte sich ändern, wenn ein pflanzlicher oder synthetischer Ersatz für die tierischen Bestandteile gefunden wird und die Energiekosten – etwa durch die Nutzung von erneuerbaren Energien – gesenkt werden.
Die Nährlösung ist aus ethischen Gründen auch noch die größte Herausforderung. Die Lösung, in der die Stammzellen angesetzt werden, beinhaltet nach heutigem Stand nämlich u. a. fetales Kälberserum aus dem Blut von Kuhföten. Um dieses zu gewinnen, wird die trächtige Kuh geschlachtet und das Blut aus dem noch schlagenden Herzen des Fötus entnommen. Darum wird derzeit an einem synthetischen oder pflanzlichen Ersatz für das Nährmedium geforscht.
Zudem ist die gesellschaftliche Akzeptanz der In-vitro-Produkte schwer zu prognostizieren. Die „Unnatürlichkeit“ des Kulturfleisches könnte Verbraucherinnen und Verbraucher mit Blick auf ihre derzeitigen Ernährungsgewohnheiten zunächst abschrecken.
Rechtliche Einordnung: Novel-Food
In rechtlicher Hinsicht würden die Erzeugnisse vermutlich als neuartige Lebensmittel (Novel Food) gelten, für die vor dem Markteintritt eine Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgen muss. Konkrete Regelungen für im Labor gezüchtetes Fleisch fehlen in Deutschland und der EU bisher. Es stellen sich zum Beispiel die Fragen, ob die Produkte überhaupt als „Fleisch“ bezeichnet werden dürften, oder, wie die Nutzung der neuen Technologie auf den Produkten zu kennzeichnen wäre.
Mehr Information zum Thema „Fleisch aus dem Bioreaktor“ liefert auch Folge 9 des FoodCast „ErnährungPlus“ mit Professor Nick Lin-Hi bei Spotify.
[1]www.sueddeutsche.de/stil/alternative-zu-fleisch-und-gemuese-burger-aus-dem-labor-1.1739525
[2]cedelft.eu/publications/rapport-lca-of-cultivated-meat-future-projections-for-different-scenarios/