Modelle für eine Front-of-Pack-Kennzeichnung in der Diskussion

Ampel, Torten, Waben, Schlüsselloch

- Die Debatte um die Erweiterung der Nährwertkennzeichnung um eine visuell arbeitende Angabe im Hauptsichtfeld ist in vollem Gange. Besonders im Vordergrund stehen dabei aktuell vier Modelle.

Front-of-Pack-Kennzeichnungsmodelle: Nutri-Score, BLL-Modell, MRI-Modell und Keyhole.

Front-of-Pack-Kennzeichnungsmodelle: Nutri-Score, BLL-Modell, MRI-Modell und Keyhole.

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Die Debatte um die Erweiterung der Nährwertkennzeichnung um eine visuell arbeitende Angabe im Hauptsichtfeld ist in vollem Gange. Besonders im Vordergrund stehen dabei aktuell vier Modelle, die wir hier kurz vorstellen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei lebensmittelmagazin.de

Ein vereinfachtes, visuell arbeitendes, erweitertes Nährwertkennzeichnungs-System vorne auf der Lebensmittelverpackung soll den informierten Einkauf in Zukunft einfacher machen. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, ein solches Kennzeichnungssystem in Deutschland einzuführen.

Diese zusätzliche Kennzeichnung im Hauptsichtfeld soll die Nährwerttabelle ergänzen, die seit 2016 verpflichtend auf jeder Lebensmittelverpackung angegeben ist und die enthaltene Menge an Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz pro 100 Gramm bzw. 100 Milliliter angibt.

Welche Systeme sind in der Diskussion?

Welches Kennzeichnungssystem sich am besten eignet, ist derzeit Teil politischer und medienöffentlicher Debatten und wissenschaftlicher Bewertungen. Für Deutschland stehen aktuell drei Systeme ganz vorne in der Diskussion: Die französische Kennzeichnung Nutri-Score, das von der deutschen Lebensmittelwirtschaft über deren Spitzenverband entwickelte und empfohlene BLL-Modell und das vom staatlichen Max-Rubner-Institut entwickelte MRI-Modell. Daneben wird auch die skandinavische Keyhole-Kennzeichnung in die Diskussion einbezogen. Im Folgenden geben wir eine kurze Übersicht über die vier Modelle.

Nutri-Score

Der Nutri-Score ist eine fünfstufige Skala mit einer Kombination aus Buchstaben von A bis E und Farben, die an eine Ampel angelehnt sind (Dunkelgrün, Hellgrün, Gelb, Orange und Rot). Die Kennzeichnung gibt eine Gesamtbewertung auf der Grundlage eines Berechnungsalgorithmus an, die zeigen soll, wie mehr oder weniger vorteilhaft das Nährstoffprofil eines Lebensmittels ist. Die Berechnung erfolgt auf 100 Gramm-Basis:

  • Dabei bekommen als positiv bewertete Nährstoffe und Inhaltsstoffe (Eiweiß, Ballaststoffe, Obst, Gemüse, Nüsse) Negativpunkte.
  • Als negativ bewertete Nährstoffe (Energie, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz) bekommen Positivpunkte.
  • Beides wird miteinander verrechnet, je niedriger die Gesamtpunktzahl, desto höher die Gesamtbewertung.

Wie die Gesamtbewertung zu Stande kommt, wird auf der Packung nicht erklärt. Angaben zu einzelnen Nährstoffen wie Zucker, Fett oder Salz macht der Nutri-Score nicht.

BLL-Modell mit Tortendiagrammen

Das BLL-Modell wurde vom Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL (heute: Lebensmittelverband Deutschland) im April 2019 vorgestellt und empfohlen.

  • Es gibt in 5 Kreisen den Gehalt von Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz pro 100 Gramm des Lebensmittels an.
  • Innerhalb der Kreise zeigen farbige Tortendiagramme, welchen Anteil 100 Gramm des Lebensmittels an der empfohlenen Referenzmenge für Energie, Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz für einen durchschnittlichen Erwachsenen ausmachen.

Die Referenzmengen sind in der europäischen Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) festgelegt. Durch die Angabe als Tortenstücke können Verbraucher auf einen Blick sehen, wie viel der empfohlenen Mengen an Energie und den Fokus-Nährstoffen sie durch den Verzehr des Lebensmittels bereits aufnehmen.

MRI-Modell mit Waben

Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat das staatliche Max-Rubner-Institut ein Modell entwickelt, das verschiedene Elemente bestehender Kennzeichnungssysteme zusammenführen soll. Seinen Entwurf hat das MRI am 21. Mai 2019 veröffentlicht.

  • Es gibt in 5 Waben den Gehalt von Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz pro 100 Gramm des Lebensmittels an.
  • Diese Kreise erhalten eine farbige (türkise) Hinterlegung, wenn die enthaltenen Mengen an Energie bzw. der jeweiligen Nährstoffe einen niedrigen Gehalt gemäß der europäischen Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben (Claims-Verordnung) darstellen. Farbige Waben zeigen also, ob ein Lebensmittel energiearm, fettarm, arm an gesättigten Fettsäuren, zuckerarm oder salzarm ist.
  • Daneben gibt das Modell in einer großen Wabe eine Gesamtbewertung des Nährstoffprofils des Lebensmittels an. Diese ist durch Sterne und einen dunkler werdenden Türkis-Farbton visualisiert. Die Gesamtbewertung beruht auf dem sogenannten FSA-Score, auf dem auch der Nutri-Score beruht.

Keyhole

Das Nyckelhålet (Schwedisch für Schlüsselloch), international auch Keyhole genannt, hat die schwedische Lebensmittelbehörde Livsmedelsverket 1989 – also vor über 30 Jahren – entwickelt. Es wird in mehreren nordeuropäischen Ländern wie Schweden, Dänemark, Norwegen und Island genutzt. Das Keyhole ist eine Positivkennzeichnung:

  • Es kennzeichnet Produkte, die innerhalb derselben Produktgruppe anhand von verschiedenen ausgewählten Nährstoffen zusammenfassend eine positive bzw. günstige Bewertung erhalten.
  • Zur Bewertung, ob ein Produkt gekennzeichnet werden darf, werden je Produktgruppe spezifische Grenzwerte für Nährstoffgehalte bezogen auf 100 Gramm des Produktes herangezogen. Die Grenzwerte orientieren sich an den Nordic Nutrition Recommendations. Das sind Ernährungsempfehlungen und Referenzmengen für bestimmte Nährstoffe, die vom Nordischen Ministerrat veröffentlicht wurden.

Video: Was zeigen die Nährwert-Label?

Politik plant Verbraucherbefragung

Das Max-Rubner-Institut hat die vier beschriebenen Systeme – neben 8 weiteren Modellen – wissenschaftlich anhand eigener Kriterien bewertet. Im nächsten Schritt soll eine repräsentative Verbraucherbefragung mit den vier Modellen durchgeführt werden. Die Befragung soll von Juli bis September stattfinden. Die Ergebnisse sollen im September vorliegen.

Philipp Hengstenberg, Präsident des Lebensmittelverbands Deutschland (vormals BLL), dazu: „Die Studie ist notwendige Voraussetzung einer Empfehlung durch die Politik, deshalb muss sie durchgeführt werden. Das fordert das Europäische Recht. Wichtig ist, dass das Studiendesign belastbare Ergebnisse im Hinblick auf das Verständnis und das Kauf- und Ernährungsverhalten der Verbraucher gewährleistet, die verallgemeinerungsfähig sind und eine valide Grundlage für die weitere Diskussion liefern.“ Eine weitere Herausforderung sei es, alle relevanten Zielgruppen mit ihren sehr unterschiedlichen Ernährungserfordernissen angemessen zu berücksichtigen, also den normalgewichtigen Durchschnittsverbraucher ebenso, wie besondere Zielgruppen, seien es Senioren oder Personen mit ernährungsmitbedingten Vorerkrankungen und viele andere mehr.

Evaluierung durch EU-Kommission

Die Europäische Kommission hat ebenfalls eine Evaluierung bestehender freiwilliger Nährwertkennzeichnungs-Systeme durchgeführt. Der Bericht zu dieser Evaluierung liegt jedoch noch nicht vor und der Termin der Veröffentlichung wurde bereits mehrfach verschoben. Wenn der Kommissionsbericht vorliegt, will das MRI seinen Bericht noch einmal überprüfen und eventuell aktualisieren. Perspektivisch wäre ein EU-einheitliches erweitertes Nährwertkennzeichnungs-System sinnvoll, da sind sich Politik, Lebensmittelwirtschaft und weitere Experten einig.