Tausende Seiten Geheimnisse des Geschmacks
Mit rund 30.000 Bänden zu Lebensmittelchemie und -technologie ist die historische Schimmel-Bibliothek weltweit einzigartig. Die handgemalten Enzyklopädien haben nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch künstlerischen Wert. Wir sind dort in die Geschichte der Aromenindustrie eingetaucht.
„Vor diesen Büchern saßen Wissenschaftler, Gelehrte und Nobelpreisträger für Chemie, beseelt von dem Wunsche, die Geheimnisse der Natur im Bereich der ätherischen Öle, Duft- und Geschmackstoffe zu ergründen. Die Pioniere der Vergangenheit grüßen ihre Nachfolger von heute und morgen“ – Diese Worte, gesetzt in Holzbuchstaben, begrüßen die Besucher beim Betreten der historischen Schimmel-Bibliothek in Miltitz, einem Stadtteil von Leipzig am westlichen Stadtrand. Rücken an Rücken, Reihe an Reihe stehen hier in alten Holzregalen rund 30.000 Bände mit geballtem Wissen zu Lebensmittelchemie und -technologie aus mehreren Jahrhunderten.
Über 300 Jahre sind die ältesten Werke alt
Fast 140 Jahre alt, gilt die Schimmel-Bibliothek als eine der weltweit größten Sammlungen von Büchern, Enzyklopädien und Periodika über Geschmackstoffe, Pflanzenextrakte und ätherische Öle. Das hier seit 1878 gesammelte Wissen war Ausgangspunkt für zahlreiche Entdeckungen und Entwicklungen in diesem Bereich und lieferte damit einen wichtigen Beitrag für den Aufstieg der Geschmacks- und Duftstoffindustrie in Deutschland.
Die ältesten Bücher der Bibliothek entstanden zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Zu diesen zählen auch die Bände der Phytanthoza Iconographia, einer botanischen Enzyklopädie der Pflanzenextrakte. Daneben fasst die Bibliothek nationale und internationale Zeitschriften und Veröffentlichungen von Verbänden aus unterschiedlichsten Jahrzehnten. Zum Bestand gehören unter anderem auch die Werke und Notizen des Nobelpreisträgers Dr. Otto Wallach sowie eine vollständige Sammlung der „Berichte von Schimmel & Co.“ (später „Miltitzer Berichte“).
Aromenindustrie mit langer Tradition in Leipzig
Im Jahr 1901 verlegte die Chemische Fabrik Schimmel & Co., auf die der Name der Bibliothek zurückgeht, ihren Sitz von Leipzig nach Miltitz. Dort begann das Unternehmen mit der Großproduktion von natürlichen und synthetischen Duft- und Aromastoffen, ätherischen Ölen, Essenzen und Pflanzenextrakten. Zu DDR-Zeiten stellte das Unternehmen als VEB Chemische Fabrik Miltitz unter anderem Vanille-Aroma sowie Zutaten für Limonaden wie Vita-Cola her. 1993 übernahm das US-amerikanische Unternehmen Bell Flavors & Fragrances das Werk.
Historisches Wissen für Innovationen von morgen
Aromen und Gerüche haben eine sehr persönliche, emotionale Komponente: „Geschmack und Geruch prägen unsere Erinnerungen“, hebt Michael Heinz, Geschäftsführer von Bell Flavors & Fragrances, hervor. Sein Unternehmen ist stolz darauf, die historische Schimmel-Bibliothek heute zu verwalten und das vereinte Wissen und die Erinnerungen wach zu halten. Bell Flavors & Fragrances regte 1998 den Wiederaufbau der Bibliothek an und unterstützte die Restauration der historischen Werke. Die teilweise handgemalten Werke wurden in akribischer Kleinarbeit fachgerecht wiederhergestellt. Bei einzelnen Stücken dauerte dies 4 Jahre. Man hoffe, dass man mit den gesammelten Informationen auch in Zukunft zu Innovationen beitragen könne. Die Bibliothek ist für Wissenschaftler, die sich mit den Themen der Geschmack- und Duftstoffindustrie beschäftigen, auf Anfrage zugänglich.
Der Besuch der Schimmel-Bibliothek war ein Teil der Jahrestagung des Verbands der Deutschen Aromenindustrie e.V. (DVAI) im November 2017. Wir danken dem Aromenverband und Bell Flavors & Fragrances für die spannenden Impressionen.