Interview mit Sensorikwissenschaftlerin

Harmonie, Kontrast, Maskierung – die Geheimnisse des Food-Pairings

- Christine Brugger, Ökotrophologin und Sensorikwissenschaftlerin, erklärt im Interview, was Food-Pairing bedeutet und was Bananen mit Basilikum und Nelken zu tun haben.
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Frau Brugger, was bedeutet Food-Pairing?

Food-Pairing ist die Kombination von Lebensmitteln, die aufgrund ihrer Aromamuster zusammenpassen. Die Aromastoffe werden durch Aromaanalytik entschlüsselt, um zu bestimmen, welche Lebensmittel harmonieren.

Anlässlich unseres diesjährigen Tags der Lebensmittelvielfalt am 31. Juli haben wir über die Sozialen Medien einen Aufruf gestartet. Unsere Follower sollten ihre liebsten Food-Pairings schicken. Ein Gewinner war „Banane und Bacon“. Abgesehen von den unterschiedlichen Aromen, die da aufeinandertreffen – spielt bei einer Banane beispielsweise auch der Reifegrad eine Rolle? 

Die Banane ist tatsächlich ein Aroma-Chamäleon. Die hat drei unterschiedliche Reife- und damit auch Aromastadien. Das fängt an, wenn man sich so eine grüne Banane vorstellt, die sich auch sehr schwer schälen lässt. Die hat in der Regel hauptsächlich so grüngrasige Aromen, cis-3-Hexenol nennt sich das in der Fachsprache. Dann wird die Banane gelb und dann entwickeln sich Aromakomponenten, die an Nelke erinnern. Wenn die Banane überreif ist bilden sich lösungsmittelartige Aromen aus. Und diese Lösungsmittelaromen kann man sich am besten vorstellen wie leichtes Aceton, das in der Nase sticht. Und je nachdem, wie ich die Banane vor mir liegen habe, muss ich natürlich überlegen: Wie kann ich die kombinieren? Eine ganz grüne Banane können wir supergut mit frischem Basilikum kombinieren. Warum? Weil eben grünes Basilikum auch ganz viel von dieser Schlüsselkomponente cis-3-Hexenol beinhaltet. Wir haben übrigens drei Konzepte im Food-Pairing: Einmal die Harmonie, wenn wir möglichst gleiche Aromakomponenten verknüpfen möchten, den Kontrast, das sind gegenseitige, sich ergänzende Aromen und bei der Maskierung versuchen wir einzelne unangenehme Aromakomponenten so zu maskieren, damit diese weniger zum Tragen kommen, sprich, sensorisch weniger wahrnehmbar sind. Da müssen wir versuchen, über einen ebenso starken Aromapartner diese Lösungsmittelaromen etwas zu bändigen.

Und dann kommen neben unterschiedlichen Reifegraden auch noch unterschiedliche Zubereitungsarten hinzu?

Genau, die Zubereitung, oft mit Hitze, beeinflusst die Aromenfreisetzung. Nehmen wir Blumenkohl – dieser entwickelt im Kochprozess ein Schwefelaroma. Was kombiniere ich denn am besten zu diesem Schwefel? Es muss ein Aromapartner sein, der ebenso stark ist. Dazu gehört Öl, das diese Aromaintensität halten kann, weil ganz viele Aromastoffe fettlöslich sind. Fettlöslich heißt, sie werden im Fett eingebunden, also festgehalten. Und wenn sie festgehalten sind, kommen sie weniger zum Vorschein. Also muss ich wissen: Wenn mein Aromamolekül fettlöslich ist, dann sollte ich möglichst nicht mit Fett experimentieren. Löslichkeit spielt also eine Rolle. Wir sprechen grundsätzlich aber auch noch von der Food-Matrix: Wie ist das ganze Lebensmittel beschaffen? Ist das etwas Krosses? Ist das ein Stärkegerüst? Muss ich das Aroma erst rauskauen? Man kann sich das sehr gut mit Schokolade vorstellen. In der Schokolade ist viel Kakaobutter enthalten und diese bindet die Schokoladenaromen ein. Nur durch den Schmelz- oder Kauprozess im Mund komme ich hier überhaupt zu diesem Aromaprofil und zur Aromafreisetzung, die wir brauchen, um das Food-Pairing im Gesamten genießen zu können.

Gibt es Lebensmittel, die gar nicht zusammenpassen?

Tatsächlich nicht. Man kombiniert meist mehr als zwei Lebensmittel, und auch wenn Aromagruppen nicht harmonieren, kann ein drittes Element für Balance sorgen. Wir arbeiten mit Schlüsselaromen, den dominanten Aromen eines Lebensmittels. Wenn man nur ähnliche Dinge kombiniert, wie Tomaten und Basilikum, wird es schnell langweilig. Daher brauchen wir auch Balsamico für Würze oder Olivenöl für Nussigkeit. Studien zeigen, dass von ähnlichen Kombinationen weniger gegessen wird als von komplexeren Gerichten.

Sie haben das Konzept von Harmonie, Kontrast und Maskierung erwähnt. Können Sie Beispiele geben?

Harmonie entsteht, wenn Lebensmittel ähnliche Schlüsselaromen haben, wie etwa Rosenwasser und Koriandersamen, beide enthalten Linalool. Kontrast entsteht, wenn wir zwar eine Schlüsselebene teilen, aber mit verschiedenen Aromen arbeiten. Zum Beispiel grüner Spargel mit Zitrus und Nüssen. Ziel des Food-Pairings ist es, durch Kombinationen mehr Genuss zu erzeugen als mit den Einzelkomponenten. Maskierung dient dazu, ungeliebte Aromen zu mildern, wie etwa bei Fenchel. Durch Kombination mit Olivenöl, Salz, Zitrusschale und Pfeffer können wir die dominante Fenchelnote reduzieren. Am Ende entsteht ein Gericht, das selbst Fenchelmuffeln schmeckt.

Welche Möglichkeiten bietet Food-Pairing der Gastronomie und Lebensmittelindustrie?

In der Gastronomie ist es oft der Überraschungseffekt, der den Gast begeistert. Ähnlich wie bei der Molekulargastronomie, wo ungewöhnliche Kombinationen für Überraschungen sorgen, setzt auch das Food-Pairing auf unübliche Kombinationen. Ziel ist es, den Gast zu überraschen und neue Geschmackserlebnisse zu schaffen. In der Lebensmittelindustrie liegt ein großes Potenzial im Food-Pairing, insbesondere bei der Reduzierung von Inhaltsstoffen wie Zucker oder Salz. Aromastoffe wie Zimt, Vanille oder Anis können beispielsweise einen süßen Eindruck erwecken, ohne Zucker zu verwenden. Auch vegetarische Produkte können durch gezielte Kombinationen im Mundgefühl verbessert werden. Zudem können neue Geschmacksrichtungen, wie etwa Chips mit Zitronenaroma und schwarzem Pfeffer, Innovationen fördern, die Verbraucher neugierig machen.

Kann künstliche Intelligenz in diesem Bereich eine Rolle spielen?

Die Sensorikwissenschaft arbeitet schon länger mit elektronischen Nasen und Zungen, aber bisher können diese Geräte nur theoretische Kombinationen liefern. Die Komplexität von Aromafreisetzung, Lösungsmitteln und Temperaturen ist hoch, und auch die individuelle Wahrnehmung der Menschen spielt eine große Rolle. KI könnte helfen, theoretische Kombinationen zu entwickeln, aber es fehlen noch viele Parameter, um das wirklich umzusetzen.

Haben Sie zum Abschluss noch eine ungewöhnliche Essenskombination oder ein Rezept?

Im Sommer kombiniere ich gerne Tomaten mit Zimt. Diese Kombination wird auch in Griechenland oft verwendet. Was mich momentan fasziniert, ist ein Salat aus Fenchel, glatter Petersilie und Orangenblütenwasser. Diese Zutaten enthalten alle den Aromastoff Limone, der an Orange erinnert. Mit etwas Salz und Öl ergibt das eine frische und ungewöhnliche Kombination, die überraschend gut harmoniert. Auch wer Orangenblütenwasser bisher als seifig empfunden hat, wird hier vielleicht überrascht sein.