Position/Stellungnahme

Stellungnahme zu den Veröffentlichungspflichten nach dem neuen § 40 Abs. 1a LFGB

- Mit dem am 1. September 2012 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation wurde zum einen das seit 2008 bestehende Verbraucherinformationsgesetz (zu Lasten der Wirtschaft) novelliert, zum anderen das Recht der Behörden nach § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) erheblich ausgeweitet, von sich aus die Öffentlichkeit unter Nennung der betroffenen Unternehmen bereits während der noch laufenden behördlichen Verfahren zu informieren. Eine wesentliche Änderung besteht in der Einführung einer aktiven Informationspflicht der Behörden gemäß § 40 Abs. 1a LFGB in zwei Fällen: bei „Grenzwertüberschreitungen“ und bei nicht unerheblichen oder wiederholten Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz vor Gesundheitsgefährdungen, Täuschung oder der Einhaltung von hygienischen Anforderungen, in Fällen, in denen ein Bußgeld von mindestens 350 € zu erwarten ist. In diesen Fällen besteht eine Veröffentlichungspflicht der Behörden; die betroffenen Unternehmen haben deutlich verkürzte Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Bundesländer haben dazu in weitem Umfang Internetportale auf Landes- oder Landkreisebene eingerichtet.

Der BLL hat schon im Gesetzgebungsverfahren den Zeitpunkt der behördlichen Veröffentlichungen sowie die unklaren Veröffentlichungsvoraussetzungen kritisiert und auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung hingewiesen. So wird die öffentliche Nennung von Produkt- oder Unternehmensnamen, insbesondere wenn sie durch eine Behörde mit ihrer staatlichen Autorität erfolgt, zumeist als „Warnung“ verstanden, mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Unternehmen. Falls sich später nach Verfahrensabschluss ihre Unbegründetheit herausstellt, wird ihr zwar nachträglich der Boden entzogen, ohne dass aber die eingetretenen Folgewirkungen für das oder die betroffenen Unternehmen rücknehmbar sind. So hat auch der VGH Baden-Württemberg bereits 2010 klar festgestellt, dass Verwaltungshandeln durch Information irreversibel ist und eine Verbraucherinformation zu -angeblichen- Rechtsverstößen eines Unternehmens für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein kann.

§ 40 Abs. 1a LFGB – auch von Gerichten und Ländern in der Kritik

Hinsichtlich der Formulierung des § 40 Abs. 1a LFGB stellten sich von Beginn an zahlreiche Auslegungsfragen, die zwischenzeitlich zu einer Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen geführt haben. Überwiegend konnten sich die Unternehmen in den Eilverfahren erfolgreich gegen die Internetveröffentlichung zur Wehr setzen. Vielfach forderte die Rechtsprechung einen konkreten Produktbezug für die Internetveröffentlichung und hielt eine Information über allgemeine Hygienemängel gemäß § 40 Abs. 1a Ziff. 2 für unzulässig (siehe u. a. VG Karlsruhe, Beschluss vom 07.11.12).

Weiterhin stellten die Oberverwaltungsgerichte (so VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.01.2013, OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.02.2013, Bayrischer VGH, Beschluss vom 18.03.2013, VGH Hessen, Beschluss vom 23.04.2013, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.04.2013) erhebliche europarechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 40 Abs. 1a LFGB fest, die zur Aussetzung des Vollzugs in diesen fünf Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen) bis zur Klärung der offenen Rechtsfragen in den Hauptsachever-fahren führten. Die bisherigen Einträge der Internetportale wurden ebenfalls vorläufig entfernt.

Die europarechtlichen Zweifel bestehen auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-636/11 – Berger Wild fort, da sich der EuGH in diesem Verfahren nicht mit der Frage der Europarechtskonformität des § 40 Abs. 1a LFGB zu befassen hatte (so ausdrücklich auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.04.2013). Zwar steht seit dem EuGH-Urteil vom 11.04.2013 fest, dass Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Basis-V) keine generelle Sperrwirkung entfaltet, eine nationale Vorschrift damit weitergehende Informationsbefugnisse (außerhalb der Gesundheitsgefahr) festlegen kann. Wie weit die Informationsbefugnis reicht, blieb jedoch offen.

Daneben werden von den Oberverwaltungsgerichten erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel erhoben, insbesondere im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der Norm. Mangels eines einheitlichen Bußgeldkatalogs und damit einhergehender unterschiedlicher Verwaltungspraxis in den Bundesländern wird das Tatbestandsmerkmal „zu erwartendes Bußgeld in Höhe von mind. 350 €“ als nicht hinreichend bestimmt angesehen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wird das Missverhältnis zwischen Absatz 1 und Absatz 1a des § 40 LFGB gerügt. Denn während der Behörde sogar bei der Veröffentlichung von Gesundheitsgefahren oder der Warnung vor ekelerregenden Lebensmitteln ein Ermessensspielraum eingeräumt wird („die Behörde soll informieren“), obliegt der Behörde in den weniger schwerwiegenden Fällen wie z. B. Kennzeichnungsverstößen eine Informationspflicht („die Behörde informiert“). Zudem fehlt in letzterem Fall eine Abwendungsmöglichkeit durch eigene Maßnahmen des Betroffenen, wie sie für Fälle des Absatzes 1 vorgesehen ist. Weiterhin wird das Fehlen einer gesetzlichen Löschungsfrist kritisiert. Eine zeitlich unbegrenzte Information der Öffentlichkeit trotz bereits erfolgter Beseitigung der beanstandeten Mängel kann nicht beabsichtigt sein und ist mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren. Schließlich wird der geringe Schwellenwert von 350 € kritisiert, der im Vergleich zur drohenden „Anprangerung“ des Unternehmens eine zu niedrige Eingriffsschwelle auf Ebene von Bagatellen festsetzt. Es besteht somit eindeutig Korrekturbedarf im Hinblick auf die Vorschrift des § 40 Abs. 1a LFGB.

Berlin, Mai 2013

Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
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Die Kurzposition finden Sie hier als PDF zum Download:
Die Veröffentlichungspflichten nach dem neuen § 40 Abs. 1a LFGB (Mai 2013)