„Lebensmittel-Imitate“ – vermisst wird eine sachliche und differenzierte Diskussion
- Die Lebensmittelüberwachung hat Verstöße bei der Kenntlichmachung von Schinken-Ersatz aus Fleischstücken, Wasser und Geliermittel sowie Käse-Ersatz aus pflanzlichen Zutaten gemeldet. Die Wortwahl der daran anschließenden Debatte um sog. „Lebensmittel-Imitate“ erscheint bemerkenswert: Von „Trickserei“ und „Täuschung“ ist die Rede, von „Plagiaten“ und „Lug und Betrug“, von jetzt erfolgter „Aufdeckung“ und “Enttarnung“ und von der Notwendigkeit, zukünftig „hart durchzugreifen“. Dabei geht es nicht um den Vorwurf, diverse Produkte seien „unsicher“ oder „nicht gesetzeskonform“. Gegenüber der Öffentlichkeit wird zum Teil ein unzutreffendes und undifferenziertes Bild der Sach- und Rechtslage gezeichnet.
1. Die tatsächliche Ausgangslage
Anders als bisweilen dargestellt, war die Verwendung von Schinken-Ersatz ebenso wie der Einsatz von Käse-Ersatz ganz überwiegend auf bestimmte Bereiche der Billig-Gastronomie beschränkt. Der maximale Anteil von Käse-Ersatz auf dem dt. Markt betrug zu Spitzenzeiten im Übrigen niemals mehr als 0,2% im Vergleich zu „echtem Käse“.
In der aktuellen Diskussion werden im Weiteren völlig unterschiedliche Sachverhalte miteinander vermischt und zum Teil sachwidrige Bewertungen vorgenommen: So wird Formfleisch, das in der Beschreibung der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches allgemein anerkannt ist, mit Schinken-Ersatz, dessen Verwendung ein hohes Irreführungspotential haben kann, gleichgestellt. Erfrischungsgetränke werden mit Fruchtsaft verwechselt. Hochwertiges Speiseeis wird mit Pflanzenfett in unzulässiger Weise in die Diskussion um Lebensmittelverfälschungen einbezogen. Einer Kaffee-Melange mit Karamellgeschmack wird willkürlich vorgeworfen, dass nicht 100 Prozent Kaffee enthalten sind, sondern auch Karamell.
Tatsache ist: Lebensmittel werden und wurden seit jeher in unterschiedlichen Qualitäten oder Zusammensetzungen vermarktet. Das ermöglicht, Produkte in unterschiedlichen Preissegmenten anzubieten. Das entspricht den Wünschen an ein breites, vielfältiges Markangebot.
Der einzelne Verbraucher kann die Entscheidung zwischen hochwertigen Produkten oder preiswerteren Produkten selbst treffen. Nur diese Wahlmöglichkeit entspricht den Vorstellungen und Anforderungen der Verbraucher. Ersatz-Erzeugnisse als solche sind bei weiten Teilen der Verbraucher zudem nicht nur seit langem bekannt, sondern erfreuen sich auch großer Beliebtheit. Das gilt beispielsweise für „klassische“ Ersatz-Erzeugnisse wie etwa Lachsersatz oder Kaffeeersatz.
2. Die gesetzliche Ausgangslage
Selbstverständlich gilt: Lebensmittel mit alternativen Zutaten müssen den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Sie müssen insbesondere so gekennzeichnet werden, dass der Verbraucher nicht irregeführt wird!
Eine ordnungsgemäße Kennzeichnung der Lebensmittel liegt nicht nur im Interesse der Verbraucher, sondern auch im Interesse der anbietenden Wirtschaft. Adressatengerechte, aussagekräftige und wahre Verbraucherinformationen sind auch aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft unabdingbar, um dem mündigen Verbraucher Auswahl, Kauf und sachgerechte Verwendung von Lebensmitteln zu ermöglichen. Die Zufriedenheit und das Vertrauen der Verbraucher sind für die Lebensmittelwirtschaft zumal in einem umkämpften Markt ein hohes Gut!
Irreführende Aufmachungen und Bezeichnungen von Lebensmitteln sind nicht akzeptabel und als Verstoß gegen geltendes Recht zu ahnden.
Daher ist es richtig, dass § 11 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) vorschreibt: Der Verbraucher darf nicht getäuscht werden, und zwar
- unabhängig von der Abgabeform einerlei, ob verpackte oder lose Ware,
- unabhängig vom Ort des Erwerbs einerlei, ob Lebensmitteleinzelhandel, Handwerk, Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie oder Imbiss
- sowie unabhängig von der Qualität und dem Preis des Produkts.
Dieses allgemeine Irreführungsverbot sicherzustellen, ist die Pflicht der Anbieter. Dies zu kontrollieren, ist Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung.
Bei Zuwiderhandlungen gegen das allgemeine Irreführungsverbot steht den zuständigen Behörden ein angemessener Sanktionsrahmen zur Verfügung: Fahrlässige Verstöße gegen § 11 LFGB stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen § 11 LFGB können mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden.
3. Die gemeinschaftsrechtliche Ausgangslage
Dieser hohe Täuschungsschutzstandard in § 11 LFGB entspricht dem gemeinschaftsrechtlichen Regelungsniveau. Art. 2 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2000/13/EG schreiben ebenfalls ein allgemeines Irreführungsverbot fest, wenn dort formuliert ist, dass die Etikettierung bzw. Aufmachung eines Lebensmittels nicht geeignet sein dürfen, „über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft undHerstellungs- oder Gewinnungsart“ irrezuführen.
Artikel 2 und 5 Abs. 1 lit. b) und c) der Richtlinie 2000/13 EG schreiben nach unbestrittener Auffassung das generelle gemeinschaftsrechtliche Gebot einer ausreichenden Kenntlichmachung gerade auch für den Fall sog. nachgemachter Lebensmittel fest.
Zusammenfassend formuliert: Nach geltendem Recht besteht sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch auf nationaler Grundlage die eindeutige Verpflichtung, sog. „Lebensmittel-Imitate“ in einer für die Verbraucher ausreichenden Weise kenntlich zu machen.
4. Alle öffentlich diskutierten Fälle sind gesetzlich erfasst
Für zusätzliche gesetzliche Regelungen besteht aus Sicht des BLL kein Bedarf! § 11 LFGB schreibt in seiner geltenden Fassung und Auslegung durch die Gerichte bereits vor, dass die Richtung und das Ausmaß der Abweichung eines (als Zutat verwendeten) Lebensmittel-Imitats von einem Original für den Verbraucher hinreichend deutlich erkennbar sein muss.
Dieser hohe Täuschungsschutzstandard erfasst sämtliche öffentlich diskutierten Fälle sog. „Lebensmittel-Imitate“:
Wenn z. B der auf einer Verpackung abgebildete Belag einer Tiefkühlpizza wie Käse aussieht, aber kein Käse ist, hat der Hersteller zumindest durch die Angabe einer geeigneten Verkehrsbezeichnung einen möglichen Irrtum des Verbrauchers, dass es sich um Käse handle, auszuschließen.
Werden Produkte mit Käse-Ersatz in der Gastronomie, also z. B. Pizza, oder in Bäckereien, z. B. überbackene Brötchen, als lose Ware angeboten, ist nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung zwar kein Zutatenverzeichnis vorgeschrieben. Im Hinblick auf das Irreführungsverbot des § 11 LFGB sind die Verbraucher über den Einsatz von Käse-Ersatz allerdings gleichwohl sachgerecht zu informieren, z. B. durch einen mündlichen Hinweis oder ein Schild bzw. einen Aushang.
Nichts anderes gilt im Hinblick auf Schinken-Ersatz: Die Vorschrift des § 11 LFGB schreibt auch insoweit eine ausreichende Kenntlichmachung vor, so dass eine Irreführung der Verbraucher ausgeschlossen ist. Auch die im Einzelfall gewählte Bezeichnung usw. in der Gastronomie oder in Bäckereien muss hiernach sachgerecht und richtig sein.
5. Fazit
Was in der Debatte um sog. „Lebensmittel-Imitate“ nottut, ist eine Klärung der Sachverhalte, gerade auch gegenüber der Öffentlichkeit. Nur so kann es gelingen, vereinzelte Problemfälle eindeutig zu identifizieren und im Sinne der Verbraucher und der anbietenden Wirtschaft zu lösen.
Aus Sicht des BLL sind dabei bereits ausreichende gesetzliche Regelungen vorhanden, die eine detaillierte und für die Verbraucher informative Kennzeichnung von sog. Lebensmittel-Imitaten vorschreiben. Wesentlich ist die konsequente Überwachung der Einhaltung und Durchsetzung dieser Vorschriften durch die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden und die Ausschöpfung der vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten.
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete an.
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