Lebensmittelwirtschaft nimmt ihre Verantwortung für Tierwohl ernst
- Verbraucher wünschen sich sichere, qualitativ hochwertige und preiswerte Lebensmittel, die zudem nachhaltig und ethisch vertretbar erzeugt worden sind. Die Lebensmittelwirtschaft nimmt die Wünsche ihrer Kunden ernst und greift gesellschaftliche Entwicklungen und Trends auf, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die permanente Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit bildet dabei die wichtigste Basis für die Arbeit der Lebensmittelwirtschaft – sie trägt die primäre lebensmittelrechtliche Verantwortung für die Sicherheit und insbesondere die gesundheitliche Unbedenklichkeit der von ihr produzierten und vermarkteten Lebensmittel. Die Lebensmittelsicherheit hat hierzulande ein sehr hohes Niveau, welches es im Sinne des Verbraucherschutzes stets zu erhalten gilt. Es darf nicht zu Gunsten anderer Aspekte aufgegeben werden. Dagegen müssen sämtliche qualitativen Produktveränderungen und -innovationen sich auch an ihrer jeweiligen Machbarkeit und damit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen messen lassen.
Der angemessene Umgang mit Nutztieren wie Schweinen, Rindern oder Geflügel hinsichtlich ihrer Haltungsbedingungen, Gesunderhaltung sowie ihres Transports und ihrer Schlachtung ist ein Anliegen, das sich über alle Stufen der Wertschöpfungskette hinweg erstreckt und entscheidende Impulse aus der Verbraucherschaft erfährt. Die Akteure der Lebensmittelwirtschaft gestalten die Diskussionen aktiv mit und suchen in verschiedenen Projekten neue Wege zur kontinuierlichen Verbesserung der deutschen Tierwohlstandards. Innerhalb dieses ethisch begründeten aber dennoch sehr komplexen Prozesses müssen Lösungen für verschiedene Zielkonflikte in den Bereichen Verbraucher-, Arbeits-, Natur- und Umweltschutz gefunden werden. Daneben muss auch der Aspekt der Wirtschaftlichkeit als Existenzsicherung für die Landwirte berücksichtigt werden. Notwendig sind praxistaugliche Lösungen, die nach umfassenden Folgenabschätzungen Tierschutz und Wettbewerbsfähigkeit miteinander vereinbaren und zugleich auf gesellschaftliche Akzeptanz stoßen. Verbraucher tragen in diesem Zusammenspiel die Verantwortung, den Mehraufwand, den die Lebensmittelwirtschaft für die Verbesserung des Tierwohls aufbringt, anzuerkennen und entsprechend zu vergüten.
Bereits bestehende unternehmensübergreifende Aktivitäten bündelt die Initiative Tierwohl, zu der sich Unternehmen und Verbände aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel Anfang 2015 zusammengeschlossen haben, um für eine tiergerechtere und nachhaltigere Schweine- und Geflügelfleischproduktion zu sorgen. Gemeinsam wollen die Teilnehmer der Initiative das Tierwohl in der Nutztierhaltung in Deutschland Schritt für Schritt verbessern und erzielen damit eine bemerkenswert hohe Breitenwirkung. Dazu wurden messbare, aber auch umsetzbare Tierwohlkriterien definiert, die deutlich über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen und die bestehenden Qualitätssicherungssysteme erweitern. Die Einhaltung der spezifischen Anforderungen wird in den beteiligten Betrieben auditiert und kontrolliert. Für jedes Kilogramm verkauften Fleisches zahlt der LEH einen festen (Mehr)-Betrag von 6,25 Cent in einen Tierwohl-Fond ein, aus dem teilnehmende Landwirte für bestimmte erbrachte Maßnahmen ein individuelles Tierwohlentgeld erhalten. Die Höhe des Tierwohlendgeldes berechnet sich dabei nicht etwa am Marktpreis des Fleischs sondern anhand der umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls. Nähere Informationen unter www.initiative-tierwohl.de.
Ferner nutzen Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft auch das Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes. Damit werden Produkte tierischen Ursprungs gekennzeichnet, denen Tierschutzstandards zugrunde liegen, die für die Tiere einen Mehrwert an Tierschutz gewährleisten. Die Standards sind darauf ausgerichtet, den Bedürfnissen und Ansprüchen der Nutztiere an ihre Haltungsumgebung nachzukommen. Das Tierschutzlabel umfasst zwei Anforderungsstufen, denen jeweils verbindliche Anforderungen an die Tierhaltung, den Tiertransport und die Schlachtung zugrunde liegen. Das zweistufige System ermöglicht breiteren Marktzugang und damit Verbesserungen für eine möglichst große Anzahl an Tieren. Nähere Informationen unter www.tierschutzlabel.info.
Generell sollte aus Sicht des BLL eine Kennzeichnung der Haltungsform von Tieren auf tierischen Produkten oder auf verarbeiteten Lebensmitteln weiterhin ein freiwilliges Instrument zur wettbewerblichen Positionierung der Anbieter im Markt bleiben. Deshalb begrüßt der BLL den im Mai 2018 vorgetragenen Vorschlag von Bundesministerin Julia Klöckner für ein freiwilliges Tierwohl-Label mit verbindlich einzuhaltenden Kriterien. Ebenso unterstützen wir die damit verbundene Ankündigung, bei diesem Prozess möglichst viele Landwirte mitzunehmen, bestehende Standards zu berücksichtigen, eine breite Beteiligung der ganzen Kette anzustreben und damit ein hohes Maß an Wertschöpfung zu erreichen. Ferner ist es richtig, auf eine Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt und auf eine europarechtskonforme Ausgestaltung zu achten. Denn ein nationaler Alleingang im Hinblick auf eine generelle Verpflichtung zur Kennzeichnung der Haltungsform von Tieren würde zwangsläufig zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt und zu einer Diskriminierung deutscher Anbieter führen. In einzelnen Bereichen, z.B. bei eihaltigen Lebensmitteln, kennzeichnen Anbieter übrigens bereits heute auf freiwilliger Basis die Haltungsform von Tieren in verarbeiteten Produkten, um den Verbraucher zusätzliche Informationen zu den verwendeten Zutaten zu liefern und sich im Wettbewerb abzugrenzen.
Die deutsche Lebensmittelwirtschaft nimmt ihre gesellschaftliche Verantwortung für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, die Tierschutzstandards noch stärker berücksichtigt, Ressourcen schont, die Umwelt schützt und eine ausgewogene Ernährung gewährleistet, ernst. Die Partner in der Lebensmittelkette intensivieren den Prozess durch neue Projekte, den Ausbau bestehender Initiativen, die Erweiterung von Standards und immer größere Beteiligung. Im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit aller interessierten Kreise plädiert der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) als Spitzenverband der Branche für eine Versachlichung der öffentlichen Debatte über Tierwohl anhand konkreter Fakten. Nur gemeinsam können alle an der gesellschaftlichen Diskussion zum Tierwohl beteiligten Akteure wirklich tragfähige und zukunftsweisende Lösungen erzielen, die gleichzeitig auch europäische und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Lebensmittelwirtschaft gewährleisten und einer Auslagerung der Tierproduktion ins Ausland vorbeugen.