Position/Stellungnahme

BLL-Stellungnahme zur Revision der EG-Öko-Verordnung

- Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) ist erstaunt darüber, dass es die Kommission bereits vier Jahre nach dem Inkrafttreten einer umfassenden Revision der bis dahin langjährig geltenden EG-Öko-Verordnung wiederum für notwendig hält, die unionsrechtlichen Vorgaben über die ökologische/biologische Erzeugung und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen komplett zu überarbeiten und neu zu fassen.

Gerade vor dem Hintergrund, dass es erfahrungsgemäß immer einer gewissen Eingewöhnungs- bzw. Anpassungsphase bedarf, um den Behörden wie den Rechtsunterworfenen der Lebensmittelwirtschaft den Umgang mit neuen Rechtsvorschriften in der Praxis zu ermöglichen, erscheint eine erneute Totalrevision mit einem wiederum geänderten systematischen Ansatz fragwürdig. Die Kommission stellt damit überdies der Qualität der geltenden Vorgaben im Bereich des ökologischen Landbau in der öffentlichen Wahrnehmung ein vernichtendes Zeugnis aus, das dem Ziel des Kommissionsvorschlags, das Vertrauen der Verbraucher in ökologische Erzeugnisse zu stärken, diametral zuwider läuft. Aus Sicht der deutschen Lebensmittelwirtschaft wäre eine gezielte, punktuelle Anpassung bzw. Überarbeitung der geltenden EG-Öko-Verordnung sinnvoller und auch unter Einbeziehung der Gründe für die Kommissionsinitiative, die überdies ohne Einbeziehung der betroffenen Kreise eingeleitet wurde, zielführender gewesen.

Der BLL teilt die Einschätzung der Verbände des ökologischen Landbaus (BÖLW und AÖL), dass die Umsetzung des Kommissionsvorschlags in der vorliegenden Fassung zu einem Rückgang des Ökolandbaus wie der Ökoverarbeitungsbetriebe in Deutschland sowie zu einem geringeren Angebot von Biolebensmitteln führen wird. Es kann aber nicht ernsthaft das Ziel des europäischen Gesetzgebers sein, durch eine weder vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes noch marktstrategischer Gesichtspunkte erforderlichen Einschränkung der Vermarktung von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus die weitere Entwicklung des Marktes zu behindern.

Der BLL ist ebenfalls der Auffassung, dass Landwirte, Verarbeiter und Händler, die ökologische Lebensmittel vermarkten wollen, einen verlässlichen Rechtsrahmen und damit Planungssicherheit benötigen, um im Ökomarkt Wachstum generieren zu können. Dies setzt voraus, dass die unionsrechtlichen Regelungen zum ökologischen Landbau klar und eindeutig formuliert sind und die inhaltlichen Anforderungen und Auswirkungen für die Betroffenen auf Seiten der Lebensmittelwirtschaft erkennen lassen. Gerade in diesem Punkt zeigt der vorliegende Regelungsvorschlag gravierende Mängel. So wird mit dem vorgelegten Kommissionsvorschlag nur ein Teilbereich der geplanten Gesamtregelung für den Rechtsanwender erkennbar. Ein für die Wirtschaftsbeteiligten ganz wesentlicher Teil bleibt dagegen offen und unbestimmt. Für die Anbieterseite sind essentielle inhaltliche Anforderungen aus dem Kommissionsvorschlag überhaupt nicht erkennbar, da bislang wichtige Anhänge komplett fehlen; dies betrifft zum Beispiel die fehlenden Positivlisten zugelassener Pflanzenschutz- und Futtermittel sowie der Zusatz- und Hilfsstoffe.

Darüber hinaus werden im Kommissionsvorschlag für die Lebensmittelwirtschaft wichtige Fragen überhaupt nicht geregelt, sondern deren inhaltliche Ausgestaltung vollständig auf die Kommission übertragen. So finden sich im Kommissionsvorschlag insgesamt 42 Ermächtigungen zum Erlass von Detailregelungen bzw. delegierter Rechtsakte, deren Ausfüllung für die Anwendung der Verordnung oder gar die Frage, ob die Vermarktung von Öko-Produkten für bestimmte Anbieter aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt noch lohnt, von entscheidender Bedeutung ist. Beispielhaft sei das Erfordernis in Art. 7 Nr. 1 d des Vorschlags genannt, wonach ein Großteil der Hersteller und Händler künftig gezwungen sein soll, Umweltmanagementsysteme einzuführen, um Öko-Produkte vermarkten zu können, ohne dass aus dem Kommissionsvorschlag selbst deutlich wird, was genau darunter zu verstehen ist. Die angedachten Anforderungen an die Einrichtung solcher Umweltmanagementsysteme werden aber darüber entscheiden, ob und inwieweit die Vermarktung von Öko-Produkten für manche Hersteller und Händler künftig überhaupt noch lohnt oder ob diese aus wirtschaftlichen Gründen als Öko-Anbieter aus dem Markt ausscheiden werden.

Generell auffällig ist vor allem die in jüngsten Kommissionsvorschlägen mehrfach zu beobachtende Tendenz, Kompetenzen großflächig auf die Kommission zu übertragen. Die im Kommissionsvorschlag deutlich gesteigerte Zahl von 30 delegierten Rechtsakten sowie 12 Durchführungsrechtsakten, durch die die EU-Kommission ermächtigt wird, in mehreren Bereichen Detailregelungen zur Verordnung zu erlassen, ist hierfür erneut ein beredtes Zeichen. In mehreren Fällen werden im Regelungstext des Kommissionsvorschlags nicht einmal die grundlegenden inhaltlichen Eckpunkte beschrieben bzw. definiert, an denen sich die Kommission bei der Ausführung bzw. Ausgestaltung der Rechtsvorschrift orientieren soll. Es werden daher im Ergebnis wesentliche inhaltliche Entscheidungen vom Regelungsgeber wegdelegiert, ohne dass der Rahmen für die Ausführungsregelung im Regelungstext auch nur in Ansätzen erkennbar wird. Dadurch werden nicht nur grundlegende rechtliche Fragen aufgeworfen, es werden der Lebensmittelwirtschaft auch Mitwirkungsmöglichkeiten genommen, durch die Einbringung praktischer Aspekte Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regelungen zu nehmen, um damit die Umsetzbarkeit in der praktischen Anwendung und deren Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten. Selbstverständlich sind delegierte Rechtsakte zur Durchführung in bestimmten Bereichen und in bestimmtem Umfang notwendig, um der Kommission im Hinblick auf die zügige Aktualisierung von Rechtsvorschriften die notwendige Flexibilität einzuräumen. Dies kann aber nicht dazu führen, grundlegende inhaltliche Vorgaben der Verordnung aus dem Regelungstext auszulagern.

Die derzeitige Ausgestaltung des Regelungsteils ist daher im Hinblick auf eine ganze Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen, inhaltlichen Fragestellungen und offenen Detailfragen intensiv überarbeitungsbedürftig.

Der BLL teilt insoweit auch die Gesamteinschätzung der Verbände der ökologischen Lebensmittelwirtschaft, dass der Kommissionsvorschlag in der vorgelegten Fassung nicht akzeptabel und eine Überdenken des Kommissionsansatzes ins-gesamt mit dem Ziel anzuraten ist, stattdessen die bestehende Rechtsgrundlage zielgerichtet anzupassen.

Einzelpunkte

a) Geltungsbereich (Art. 2)
Artikel 2 in Verbindung mit Anhang I des Verordnungsvorschlags und Anhang I des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) soll künftig den Geltungsbereich durch zwei Positivlisten definieren. Durch die Koppelung dieser beiden Anhänge wird aber die eindeutige und möglichst zweifelsfreie Festlegung des Anwendungsbereiches der Verordnung immer noch nicht erreicht. So bleibt unklar, welche verarbeiteten Erzeugnisse tatsächlich unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen sollen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die ausdrückliche Nennung von einzelnen verarbeiteten Produkten in der Positivliste in Anhang I des Vorschlags als Ausschlussliste gegenüber anderen verarbeiteten Produkten verstanden werden könnte. Es bleibt überdies im Hinblick auf eine Reihe von anderen Produkten unklar, ob diese in den Geltungsbereich der EG-Öko-Verordnung fallen, da die Systematik der Aufführung in der Positivliste unklar bleibt.

Wenn die Definition des Anwendungsbereichs der Verordnung über Positivlisten beibehalten werden soll, müssen diese in sich konsistent, schlüssig und vollständig sein, d. h. sämtliche Produktgruppen berücksichtigen, für die ein Markt im Bereich der ökologischen Lebensmittelwirtschaft besteht. Dies betrifft zum Beispiel Tee oder teeähnliche Produkte.

Des Weiteren wird der Status von Wilderzeugnissen (Wildtiere; Wildpflanzen, z. B. Beeren, Pilze) nicht ausreichend deutlich. Aus diesem Grunde sollte klargestellt werden, ob und inwieweit diese Erzeugnisse dem Anwendungsbereich der neuen EU-Öko-Verordnung unterfallen sollen und wie mit diesen Erzeugnissen im Rahmen der Kennzeichnung umzugehen ist, da die bisherigen Sonderkennzeichnungsbestimmungen nach dem Regelungstext des Kommissionsvorschlags entfallen sollen. Dies steht im Übrigen in Widerspruch zu Erwägungsgrund 35, nach dem für verarbeitete Lebensmittel, in denen zum Beispiel Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei verwendet werden, besondere Kennzeichnungsvorschriften erlassen werden sollen.

b) Spezifische Grundsätze für die Verarbeitung
In Art. 6 (a) des Kommissionsvorschlags wird für die Herstellung verarbeiteter ökologischer/biologischer Lebensmittel der Grundsatz aufgestellt, dass diese (ausschließlich) aus ökologischen/biologischen Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs erfolgen soll. Dieser Grundsatz ist als Zielvorgabe nachvollziehbar, die absolute Formulierung steht aber in Widerspruch zu der in Art. 13 Nr.1 in Verbindung mit Anhang II Teil IV eingeräumten Möglichkeit, in definierter Menge auch Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs nicht ökologischer Herkunft einsetzen zu dürfen. Aus diesem Grunde erscheint die bisherige Formulierung in Art. 6 a) Verordnung (EG) Nr. 834/2007 sachgerechter.

Ferner spricht sich der BLL dafür aus, die bisherige, in Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 889/2008 vorgesehene Möglichkeit zu erhalten, nach der die Mitgliedstaaten unter den gesetzlich näher definierten Voraussetzungen auch über die in der EU-Liste enthaltenen Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs nicht ökologischer Herkunft hinausgehend solche Zutaten genehmigen dürfen, um die Angebotsbreite im Markt ökologischer Erzeugnisse zu gewährleisten. Auch die weitgehende Übernahme der bisherigen EU-Liste aus Anhang IX Verordnung (EG) Nr. 889/2008 wird von Seiten des BLL ausdrücklich begrüßt.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei Art. 6 (e) des Kommissionsvorschlags, nach dem Stoffe und Verarbeitungsverfahren, die in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit des Erzeugnisses irreführend sein könnten, von der Herstellung ökologischer Erzeugnisse auszuschließen sind, um eine Regelung handelt, die bereits über die allgemeinen Irreführungsvorschriften abgedeckt und daher im Rahmen der EU-Öko-Verordnung entbehrlich scheint.

c) Allgemeine Produktionsvorschriften (Art. 7 Nr. 1 (a))
Die Regelung legt nahe, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb in Gänze „bio“ produzieren muss. Im Hinblick auf Landwirte in Kooperativen, die für sich alleine produzieren, ist aus Sicht unserer Mitgliedschaft klarzustellen, dass ein einzelner konventionell produzierender Landwirt nicht dazu führt, dass die anderen Landwirte der Kooperative nicht mehr „bio“ zertifiziert werden. Ferner erscheint eine Klarstellung wichtig, wo die Grenze zwischen Anbau und Verarbeitung zu ziehen ist. Es sollte vermieden werden, dass eine Kooperative, nur weil sie beispielsweise „bio“ und konventionelle Kaffeebohnen aufbereitet, nicht mehr als Bio-Betrieb gelten darf.

d) Umweltmanagementsysteme (Art. 7 Nr. 1 (d))
Wir hatten bereits auf das Erfordernis in Art. 7 Nr. 1 (d) des Vorschlags hingewiesen, wonach ein Großteil der Hersteller und Händler künftig gezwungen sein soll, Umweltmanagementsysteme einzuführen, um Öko-Produkte vermarkten zu können, ohne das aus dem Kommissionsvorschlag selbst deutlich wird, was genau darunter zu verstehen ist. Es ist daher an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen, dass die angedachten Anforderungen an die Einrichtung solcher Umweltmanagementsysteme darüber entscheiden werden, ob und inwieweit die Vermarktung von Öko-Produkten für manche Hersteller und Händler künftig überhaupt noch lohnt oder ob diese aus wirtschaftlichen Gründen als Öko-Anbieter ausscheiden werden. Überdies trägt der finanzielle und zeitliche Aufwand, auch für nicht wenige der größeren und großen Unternehmen, nicht zur Ausweitung der ökologischen Produktion bei, sondern führt zu einer zunehmenden Verbürokratisierung. Vor diesem Hintergrund dürfen die Anforderungen an die Ausgestaltung solcher Umweltmanagementsysteme, sofern man ein solches Erfordernis überhaupt an die Vermarktung von Öko-Erzeugnissen koppeln will, nicht überspannt werden. So macht es einen erheblichen Unterschied, ob man nur bestimmte Umweltleistungen der Unternehmen unter dem Dach der EU-Öko-Verordnung honorieren will oder ein zertifiziertes Umweltmanagement zur Vorgabe macht. Erst wenn die Anforderungen für ein solches Umweltmanagementsystem näher spezifiziert werden, ist eine abschließende Bewertung für den BLL möglich.

Es erscheint allerdings insgesamt überlegenswert, ob die Einrichtung von Um-weltmanagementsystemen als Differenzierungsinstrument zu Wettbewerbern nicht generell auf Freiwilligkeit beruhen sollte, um die Aspekte „Öko“ und „Nachhaltigkeit“ nicht zu vermischen.

e) Produktionsvorschriften für Hefen (Art. 15)
Aus Sicht des BLL sollte zur Vermeidung von Missverständnissen in diesem Paragrafen von ökologischen/biologischen Hefen gesprochen werden.
Für den Einsatz konventioneller Hefen in Ökoprodukten muss es dagegen bei den inhaltlichen Vorgaben bleiben, die der BLL-Bewertung vom 31. Mai 2012 zugrunde liegen. Diese Auffassung ist von der Länderarbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (LöK) in der Sitzung vom 08. Oktober 2012 ausdrücklich geteilt worden.

f) Biospezifische Schwellenwerte
Artikel 20 des Kommissionsvorschlags regelt, dass für Ökoprodukte künftig be-sondere Schwellenwerte für Rückstände und Kontaminanten orientiert an der Babykostrichtlinie (2006/125/EG) festgelegt werden. Daran soll sich die Rechtsfolge knüpfen, dass in allen Fällen, in denen in Öko-Produkten Stoffe, die nicht gemäß Artikel 19 zugelassen wurden, in Mengen über dem Schwellenwert nachgewiesen werden, diese Erzeugnisse nicht als Bioprodukte vermarktet werden dürfen. Zudem wird der Kommission die Befugnis übertragen, die Schwellenwerte für Öko-Produkte und die Kriterien und Bedingungen für die Anwendung dieser Schwellenwerte durch delegierte Rechtsakte festzulegen.

Mit dieser Regelung erschüttert die Kommission einen elementaren Grundansatz der Produktion ökologischer Lebensmittel. Sie führt statt des bisherigen prozessorientierten Verständnisses der Öko-Produktion eine produktbezogene Betrachtungsweise ein, die die Entscheidung darüber, ob ein Produkt „öko“ ist oder nicht, auf die Einhaltung bestimmter Schwellenwerte im Endprodukt reduziert. Damit wird das bisherige Modell des prozessorientierten Qualitätskonzepts in der Biobranche ohne sachliche Rechtfertigung vollständig aufgegeben. Ein solcher Ansatz führt bereits auf der Ebene der Landwirte, hier insbesondere der Kleinstbetriebe, zu einer Ungleichbehandlung. Kleine Anbauflächen inmitten von Anbauflächen mit konventioneller Bewirtschaftung sind einem unbeabsichtigten Eintrag von nicht erwünschten Stoffen (Pestizide) eher ausgesetzt als große, zusammenhängende Einheiten. Die Einordnung einer Vermarktung als Bio bzw. Nicht-Bio wird voraussichtlich und schlussendlich auf dieser Ebene entschieden werden.

Die Einführung dieses Ansatzes würde zu erheblichen, völlig unangemessenen Zusatzkosten führen, da auf sämtlichen Wertschöpfungsstufen jedes Produkt analytisch auf die Einhaltung der spezifischen Schwellenwerte überprüft werden müsste, um eine fälschliche und damit irreführende Bioauslobung zu vermeiden. Dies wird zwangsläufig zu einer erheblichen Verteuerung der Öko-Produkte führen oder aber ganze Anbietergruppen aus dem Markt verdrängen, weil es wegen des Ausfalls der Lieferfähigkeit und der Nichteinhaltung vertraglicher Verpflichtungen zur Einstellung von Lieferbeziehungen kommen wird. Der von der Kommission angedachte Ansatz, fehlende Vermarktungsmöglichkeiten als Öko-Produkt durch Entschädigungslösungen aufzufangen, dürfte in vielen Fällen ins Leere laufen, da die Entschädigungslösung überhaupt nur für Landwirte vorgesehen ist, der Ausschluss ganzer Produktchargen von der Vermarktung aber auf jeder Stufe zum Tragen kommen kann. Außerdem bleiben mittel- und langfristige Störungen der Geschäftsbeziehungen außen vor. Die vorgeschlagene Regelung des Art. 20 ist daher für die Lebensmittelwirtschaft inakzeptabel.

g) Streichen von Ausnahme- und Übergangsregelungen
Insbesondere für die verarbeitende Lebensmittelwirtschaft ist auch die vorgesehene Streichung einer Vielzahl von Ausnahmeregelungen inakzeptabel. Eine Beschränkung von Ausnahmen auf den Katastrophenfall, wie in Art. 17 des Kommissionsvorschlags vorgesehen, reicht keinesfalls aus.

Bislang ist die EG-Öko-Verordnung so konzipiert, dass in möglichst umfassender Weise ökologisch erzeugte Zutaten in Öko-Produkten eingesetzt werden sollen. Wenn diese aber (noch) nicht in der notwendigen Qualität und Quantität verfüg-bar sind, sieht der bisherige Regelungsrahmen zu Recht Ausnahme- und Über-gangsregelungen vor. Dies muss aus Sicht des BLL in jedem Fall so bleiben, um dem Verbraucher im Öko-Markt ein möglichst umfassendes Produktspektrum anbieten zu können. Die bestehenden Übergangsregelungen für Futtermittel, Saatgut und Vermehrungsmaterial sowie Zucht- und Jungtiere ermöglichen eine schrittweise Marktentwicklung und sichern die Verfügbarkeit von Öko-Lebensmitteln.

Gerade die bislang in Artikel 22 Verordnung (EG) Nr. 834/2007 vorgesehenen Ausnahmen von den Produktionsvorschriften bleiben für die Lebensmittelwirtschaft von Bedeutung und sind daher aufrecht zu erhalten. Die deutsche Lebensmittelwirtschaft weist nachdrücklich darauf hin, dass eine übergangslose Abschaffung und undifferenzierte Streichung von Übergangsregelungen oder Ausnahmen dazu führen wird, dass bedeutende Produktbereiche wegfallen wer-den und eine positive Weiterentwicklung des Ökoangebots in einigen Bereichen unterbunden wird.

h) Kennzeichnungsregelungen (Art. 21)
Zu korrigieren ist zunächst die offensichtlich fehlerhafte Formulierung der Kenn-zeichnung im Verzeichnis der Zutaten in Art. 21 Nr. 3 (b) des Kommissionsvor-schlags, wo es ….wenn weniger als 95% der Zutaten ….. Außerdem sollte eine Auslobung im Zutatenverzeichnis auch für die >95% Produkte weiter möglich bleiben. Aufgrund des zusätzlichen Aufwandes abzulehnen ist in jedem Falle die neue Vorgabe Art 23 Nr. 2 des Kommissionsvorschlags, dass sich jedes Unter-nehmen die Verwendung des EU-Logos genehmigen lassen muss, bevor es auf den Etiketten verwendet werden darf (EU-Logo als amtliche Attestierung).

Außerdem erscheint fraglich, ob eine eigenständige Regelung der Herkunfts-kennzeichnung für Öko-Erzeugnisse noch angebracht oder sinnvoll ist oder ob insoweit auf die allgemeinen Regelungen zur Herkunftskennzeichnung in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung) zu verweisen ist.

i) Ausweitung der Zertifizierungspflicht (Art. 24-26)
Die Ausweitung der Pflicht zur Unterstellung von Handelsunternehmen unter das Kontrollsystem wird von Seiten der Lebensmittelwirtschaft als völlig unverhältnismäßig abgelehnt. So erscheint es auch vor dem Ziel der EU-Öko-Verordnung, Missbrauchs- und Betrugsfälle möglichst auszuschließen, nicht angemessen, sämtliche Händler (einschließlich Kioske, Automaten, Trinkstuben, Imbissbetrieben und Wochenmärkte), auch wenn sie ausschließlich vorverpackte Ware handeln, vollumfänglich dem Kontrollsystem zu unterwerfen. Letztendlich könnten sogar einzelne Regale in Supermärkten betroffen sein, sofern das Regal von einem anderen Anbieter als dem Supermarkt bestückt wird. Sollte diese Vorgabe beibehalten werden, ist in diesen Bereichen mit einer drastischen Einschränkung des Bio-Angebotes zu rechnen. Es erscheint ferner fraglich, ob eine solche Ausweitung der Kontrollpflichten in der Praxis überhaupt von Seiten der Kontrollbehörden zu bewerkstelligen ist.

Auch die Regelung in Art. 25 Nr. 3 des Kommissionsvorschlags, dass Unternehmer keinen Anspruch auf Erteilung eines Bio-Zertifikats durch verschiedene Kontrollbehörden oder Kontrollstellen für dieselbe Gruppe von Erzeugnissen haben, auch wenn sie auf verschiedenen Produktions-, Zubereitungs- und Vertriebsstufen tätig sind, findet als Eingriff in den Markt und als Beschränkung der Privatautonomie auf Seiten der Lebensmittelwirtschaft keine Akzeptanz.

Schließlich sieht der BLL keinen Grund dafür, die Möglichkeit der Gruppenzertifizierung nach Art. 26 des Kommissionsvorschlags auf die Landwirtschaft zu beschränken; vielmehr erscheint eine Ausweitung auf sämtliche Stufen der Lebensmittelkette wünschenswert.

j) Internationaler Biohandel: Einführung des konformen Systems und Wegfall der Importermächtigungen
Von den bislang drei Importoptionen soll zukünftig nur noch die Drittlandsliste bestehen bleiben. Das System der Importermächtigungen soll zum 1. Juli 2014 auslaufen und ab 2018 das „Verzeichnis der im Hinblick auf Gleichwertigkeit anerkannten Kontrollstellen“ voraussichtlich in das „Verzeichnis der im Hinblick auf Konformität anerkannten Kontrollstellen“ übergehen. Insbesondere die Importeure von Öko-Produkten in unserer Mitgliedschaft sprechen sich für die Beibehaltung des bestehenden und gut eingespielten Systems aus und befürworten eine Beibehaltung der Importermächtigungen. In der Import-Praxis gibt es immer wieder Situationen, wie beispielsweise den Wegfall der Erzeugniskategorie D in Indien im Februar 2013, die ein schnelles Handeln erfordern, damit es nicht zu existentiellen Bedrohungen für die Beteiligten und nachgelagerte Handelsstufen kommt. Hier sind die Importermächtigungen ein flexibles und unverzichtbares Medium, um schnell agieren zu können und „Lücken“ bei der Anerkennung von Drittlandsprodukten zu schließen.

Ein Verzicht der Importoption über das „Verzeichnis der im Hinblick auf Gleichwertigkeit anerkannten Kontrollstellen“ würde den Wegfall von vielen Import-Produkten in Bioqualität aus z.B. tropischen Regionen zur Folge haben und sowohl Erzeugern als auch Importeuren den Zugang zum europäischen Markt erschweren. Die Ausweitung der Konformitätsregelung hätte überdies eine erhebliche und im Einzelnen nicht leistbare Verschärfung der Produktion im Ursprungsland zur Folge.

Die Wirkungen wären ähnlich wie die einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung:

  • Verschwinden kleiner, weniger entwickelter Ursprungsländer.
  • Handelshemmnis und Kostensteigerung (Zertifizierung und Überprüfung).
  • Kein Nutzen für die Verbraucher.

Im Hinblick auf die Kommentierung der Regelungen zum Import von Öko-Produkten aus Drittländern und zur Herausnahme der Kontrollvorschriften aus der EG-Öko-Verordnung teilt der BLL im Übrigen die kritischen Anmerkungen des BÖLW. Aus Sicht des BLL muss das System der Einzelgenehmigungen (die sog. Importermächtigungen) vorerst in jedem Falle erhalten bleiben, um für die erforderliche Produktbreite bei Öko-Erzeugnissen zu sorgen.

Abschließend macht der BLL darauf aufmerksam, dass im Falle der Weiterverfolgung des Projektes einer Totalrevision der EG-Öko-Verordnung gerade mit Blick auf Produkte mit langen Mindesthaltbarkeitsdaten ausreichend lange Übergangsfristen vorzusehen sind. Hierauf ist im Falle der Weiterberatung des Kommissionsvorschlags unter Einbeziehung der Lebensmittelwirtschaft besonderer Wert zu legen.