Europäische Wirtschaft gegen einseitige Verbote von Bisphenol-A
- In den vergangenen Monaten wurden gemäß dem europäischen Informationsverfahren (TRIS) von verschiedenen Mitgliedsstaaten jeweils nationale Vorschriften zur Verwendung von Bisphenol-A (BPA) als Komponente in bestimmten Produkten notifiziert. Frankreich hat die Absicht, BPA in allen Lebensmittelkontaktmaterialien zu verbieten; in Schweden und Belgien betrifft das Verbot die Verwendung von BPA in Lebensmittelverpackungsmaterialien für an Kinder gerichtete Produkte.
Es hat sich gezeigt, dass die Europäische Kommission diese Mitgliedstaaten von ihren geplanten Vorhaben nicht abbringen konnte, ungeachtet der Tatsache, dass die EFSA und andere wissenschaftliche Sicherheitsbehörden weltweit wiederholt die Sicherheit von BPA in Lebensmittelbedarfsgegenständen – sogar für Säuglinge und Kinder – bestätigt haben. Zuletzt wurde dies im Dezember 2011 von EFSA auf der Grundlage der vorliegenden wissenschaftlicher Erkenntnisse bestätigt. Es gibt bislang keinen Grund für EFSA, diese Haltung zu BPA zu ändern und folglich für die Europäische Kommission keinen zureichenden Grund, die nach europäischen Vorschriften zulässige Verwendung von BPA mit weiteren Einschränkungen zu belegen.
Dennoch hat Belgien das nationale Verbot Ende September 2012 beschlossen; Anfang Oktober 2012 hat der französische Senat für einen Gesetzesentwurf mit einem weitgehenden nationalen Verbot gestimmt und Mitte Oktober 2012 hat Schweden seinen Verbotsvorschlag veröffentlicht.
Diese Entscheidungen wurden jeweils im nationalen Alleingang getroffen. Sie werden im Ergebnis zu komplett unüberschaubaren und nicht praktikablen Situationen für alle am Markt Beteiligten führen und den europäischen Binnenmarkt erheblich beeinträchtigen.
Es werden Hindernisse für den Handel bestimmter Lebensmittel und Gebrauchsgüter etabliert, ohne dadurch die Sicherheit der Verbraucher zu erhöhen.
Die vorgenannten Vorschriften sind mit sehr restriktiven zeitlichen Vorgaben verbunden und es ist für die Wirtschaftsbeteiligten völlig unklar, wie eine Umsetzung erfolgen soll. Zudem weichen die Bestimmungen von Land zu Land voneinander ab und führen zu erheblichen Rechtsunsicherheiten:
- in wird nicht definiert, was „BPA-frei“ tatsächlich bedeuten soll;
- es ist unklar, ob BPA in Lebensmitteln oder in Verpackungen reguliert wird;
- bei zusammengesetztem Verpackungsmaterial ist unklar, ob nur das in direkten Kontakt mit Lebensmitteln kommende Material betroffen ist;
- Übergangsfristen für bereits auf dem Markt befindliche Produkte sind nicht vorgesehen.
Es fehlen bislang die Analytik-Instrumente und Testmethoden zur Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften; sowohl Wirtschaft als auch Aufsichtsbehörden müssen für die (Eigen-)Kontrollen qualifiziert werden. Werden diese Prozesse nicht harmonisiert, sondern in den jeweiligen Ländern unterschiedlich behandelt, wird die Handhabung für die Unternehmen noch schwieriger. Eine für den Binnenmarkt untragbare Situation entsteht.
Es gibt nach wie vor keinen wissenschaftlich basierten Grund, das bereits umfassend beurteilte BPA für diese Anwendungen zu verbieten, ohne dass es hinreichend getestete und anwendbare Alternativen zur Verfügung stehen. Gemeinsame Prämisse ist, Lebensmittel und exponierte Verbraucher vor bedenklichen Stoffen zu schützen. Wenn daher eine erhöhte Sicherheit für die Verbraucher das Ziel dieser Initiativen sein soll, dann sind diese Maßnahmen in höchstem Maße kontraproduktiv und führen zu gegenteiligen Auswirkungen.
Die Arbeiten an sicheren und geeigneten Substituten für BPA sind noch nicht an einem Punkt, an dem eine erfolgreiche Herstellung aller betroffenen Produkte mit alternativen Technologien möglich wäre. Für die überwiegende Mehrheit der Produkte gibt es gegenwärtig keine geeigneten Alternativstoffe oder in ausreichendem Umfang verfügbare Materialien, die auch hinreichend in Langzeitversuchen getestet sind und die den speziellen Leistungskriterien für BPA genügen. Dies einzuhalten entspricht jedoch den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis für Lebensmittelkontaktmaterialien, zu denen die Hersteller verpflichtet sind.
Die gesamte europäische Wirtschaft ist zutiefst betroffen von diesen beunruhigenden Entwicklungen, die die gegenwärtigen Kriterien und Prozesse der Risikobewertung innerhalb der Europäischen Union abwerten, den Verbraucher einem potentiell erhöhten Risiko aussetzen und den Binnenmarkt stören. Nationale Verbote werden angenommen und umgesetzt bevor die EFSA ihre vollständige, im März 2013 erwartete Neubewertung zur Sicherheit von BPA abschließt und damit die Basis für einen harmonisierten Ansatz des Risikomanagements innerhalb der EU liefert.
Vor diesem Hintergrund bittet die europäische Wirtschaft die EU-Kommission eindringlich, dieser Entwicklung entgegenzutreten und fordert:
- Einhaltung der bestehenden gemeinschaftlichen, von den Mitgliedsstaaten gestützten Grundsätzen und Vorschriften;
- Verständigung über die Prioritätensetzung in nicht harmonisierte Bereichen;
- Grundlage für regulatorische Entscheidungen des Risikomanagements sind ausschließlich Risikoanalysen und wissenschaftliche Erkenntnisse;
- Unterbindung einseitiger nationaler Beschränkungen, die nicht auf der Risikobewertung der EFSA beruhen.
Im Hinblick auf BPA soll jedes potentielle Handeln sowie jede daraus folgende Strategie der EU Kommission zum Risikomanagement ausgesetzt werden bis die EFSA ihre neue vollständige Beurteilung vorgelegt hat, die im März 2013 erwartet wird. Die Kommission soll auf die nationalen staatlichen Gesetzesvorschläge, die über das TRIS-Verfahren notifiziert wurden, entsprechend reagieren, um jegliche ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Binnenmarktes zu verhindern. Nach verlässlichen und nachhaltigen Kriterien sollen zeitgleich Alternativen zu BPA vorgeschlagen werden, die gleichermaßen sicherheitsgetestet, risikobewertet und für ihren jeweiligen Zweck zugelassen wurden.
Die Vertreter der europäischen Wirtschaft in der Lieferkette von betroffenen Lebensmittelverpackungsmaterialien und Gebrauchsgütern sind jederzeit zur weiteren Diskussion und Informationen zum Sachstand bereit.
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette – Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete – an.
Für weitere Informationen:
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
Dr. Sieglinde Stähle
Claire-Waldoff-Str. 7
10117 Berlin
Tel.: +49 30 206143-142, Fax: +49 30 206143-242
E-Mail: sstahle@bll.de, Web: www.bll.de
Die Stellungnahme finden Sie hier als PDF zum Download:
Europäische Wirtschaft gegen einseitige Verbote von Bisphenol-A (16. November 2013)