Position/Stellungnahme

Gemeinsame Stellungnahme zu den Vollzugshinweisen der LAV zur neu eingeführten aktiven Informationspflicht der Behörden nach § 40 Abs. 1a LFGB

- BLL, BVL und HDE haben eine gemeinsame Stellungnahme zu den Vollzugshinweisen der LAV zur neu eingeführten aktiven Informationspflicht der Behörden nach § 40 Abs. 1a LFGB veröffentlicht.

I. Hintergrund

Im Rahmen der Novellierung des Verbraucherinformationsrechts durch das Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation1 wurde neben wesentlichen Änderungen des Verbraucherinformationsgesetzes insbesondere eine neue aktive Informationspflicht der Behörden eingeführt, Verbraucher aktiv über Grenzwertüberschreitungen sowie erhebliche, näher bezeichnete Rechtsverstöße zu informieren. Die Änderungen sind am 1. September 2012 in Kraft getreten. Aufgrund zahlreicher unklarer Tatbestandsmerkmale des § 40 Abs. 1a LFGB hat die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) Vollzugshinweise ausgearbeitet, die Auslegungen enthalten, die einer näheren Kommentierung und Bewertung bedürfen. Auch wenn den Vollzugshinweisen kein rechtlich bindender Charakter zukommt und sie nur „eine Handreichung und Hilfestellung für die Länder darstellen sollen“, können einige Bewertungen aufgrund der faktischen Wirkung nicht unwidersprochen bleiben. § 40 Abs. 1a LFGB bildet die Grundlage für die Errichtung zahlreicher neuer Internetportale auf der Ebene der Bundesländer und steht insoweit im Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung.

II. Die Neuregelung des § 40 Abs. 1a LFGB

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1. in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder dass

2. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

III. Stellungnahme zu Kernpunkten des § 40 Abs. 1a LFGB:

Mit dem vorstehenden Regelungsinhalt geht der neue Absatz 1a LFGB weit über die bisherige Regelung in § 40 Abs. 1 LFGB hinaus. Zum einen stellt § 40 Abs. 1a LFGB – im Gegensatz zur „Soll“-Vorschrift des § 40 Abs. 1 LFGB – eine „Muss“-Regelung dar; d. h. ein Ermessen der Behörden ist für diese Fälle nicht mehr vorgesehen. Weiterhin war eine Information der Öffentlichkeit bislang nur als Gefahrenabwehrmaßnahme zulässig, wenn „andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Verbraucherinnen oder Verbraucher nicht erreichen“. Jetzt wird das Instrument des Informationshandelns in § 40 Abs. 1a LFGB allein zum Zwecke der Schaffung von Transparenz eingesetzt, ohne die Möglichkeit für den Unternehmer, selbst informierend tätig zu werden; damit wird völlig neues Terrain betreten. Schließlich werden den Unternehmern nur deutlich verkürzte Rechtsschutzmöglichkeiten zugestanden.

Umso wichtiger und dringender geboten ist es, dass die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen auch tatsächlich eingehalten werden und nicht im Wege einer nicht gesetzeskonformen Auslegung „ausgehöhlt“ werden.

1. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen Zunächst einmal sind die Tatbestandsvoraussetzungen zu betrachten, die für beide Alternativen des § 40 Abs. 1a LFGB, d. h. für die Ziffern 1 und 2, gelten.

Zwei unabhängige Untersuchungen:
§ 40 Abs. 1a LFGB legt ausdrücklich fest, dass ein durch Tatsachen begründeter Verdacht im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 S. 2 LFGB erst dann besteht, wenn er auf mindestens zwei unabhängigen Untersuchungen von Stellen (Plural!) nach Art. 12 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 882/2004 basiert.

Entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift geht die LAV jedoch davon aus, dass eine „zweite unabhängige Untersuchung“ bereits dann vorliege, wenn eine Wiederholungsuntersuchung in demselben (behördlichen) Labor vorgenommen wird. Dies mag aus Praktikabilitätsgründen seitens der Länder verständlich erscheinen, eine Wiederholungsuntersuchung desselben Labors kann jedoch allenfalls als Parameter für die Qualität der Untersuchung durch dieses Untersuchungsamt herangezogen werden; sie kann jedoch keinesfalls mit der gesetzlich geforderten zweiten unabhängigen Untersuchung einer weiteren Stelle (der gewählte Plural ist insofern eindeutig) gleichgesetzt werden.

Neben dem Wortlaut steht dem auch die Tatsache entgegen, dass dieses Tatbestandsmerkmal im Verfahrensgang der Gesetzesnovelle erst nachträglich – auf die Kritik der Wirtschaft – vom Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages nach der öffentlichen Sachverständigenanhörung am 9. November 2011 gezielt in den damaligen Entwurf eingefügt wurde, um einen vorschnellen und auf nicht ausreichender Verifizierung beruhenden behördlichen Veröffentlichungsautomatismus aufgrund der möglichen Schadensfolgen für die betroffenen Unter-nehmen zu verhindern. Hätte man die bisherige Validierungspraxis bei behördlichen Beanstandungen durch ein akkreditiertes Labor ausreichen lassen wollen, wäre eine dies besagende Formulierung in § 40 Abs. 1a LFGB leicht möglich gewesen; der Gesetzgeber hat demgegenüber aber ganz be-wusst er auf „mindestens zwei unabhängige Untersuchungen von Stellen“ (Plural!) nach Art. 12 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 882/2004 abgestellt.

Dieser Wille des Gesetzgebers, eine zweite unabhängige Untersuchung bei einer weiteren Stelle durchzuführen, geht auch klar aus dem Protokoll der 147. Sitzung des Bundestages am 2. Dezember 20112 hervor. So äußerte sich Frau Drobinski-Weiß (SPD) „Proben – hören Sie bitte zu – müssen nun von mindestens zwei unabhängigen Laboren untersucht werden. Das wird doch ganz gewiss nicht dazu führen, dass die Bekanntgabe von Ergebnissen beschleunigt wird“.

Die Beschleunigung des Verfahrensgangs und die möglichst schnelle Information der Öffentlichkeit kann im Rahmen einer Transparenzregelung jedoch – im Unterschied zum Bereich der Gefahrenabwehr – gerade nicht oberste Priorität haben. Denn es geht nicht um die Abwendung von Gefahren für die Öffentlichkeit, wo schnelles Handeln für einen effektiven Verbraucherschutz zwingend erforderlich ist, sondern allein um die Schaffung von Transparenz zur Information der Verbraucher in Fällen ohne Gefahrenbezug. In diesen Fällen muss aufgrund der drohenden Schadensfolgen für die Unter-nehmen mehr Gewicht auf eine zweifelsfreie Klärung des Vorwurfs gelegt werden. Da die Transparenzregelung des § 40 Abs. 1a LFGB sehr stark in die Rechte der Unternehmen eingreift, insbesondere da eine Information bereits während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens aufgrund eines hinreichenden Verdachts erfolgt, d. h. der Verstoß noch nicht sicher festgestellt sein muss, ist ange-sichts der drohenden wirtschaftlichen Schäden Rechtssicherheit in Form einer Absicherung der Untersuchungsergebnisse für die Unternehmen, aber auch für die Behörden, unerlässlich, um den Rechtsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Unschuldsvermutung bis zum Abschluss der behördlichen Verfahrens Rechnung zu tragen. Gründlichkeit und Sorgfalt des behördlichen Handelns muss in diesen Fällen Vorrang vor Schnelligkeit haben!

Hierzu führte auch Prof. Schweickert (FDP) aus „Wir sorgen ebenfalls dafür, dass es zwei amtliche Proben geben muss, bevor eine Behörde veröffentlichen darf. Somit gehen wir gegen Messfehler vor, und wir tragen zu einer gestärkten Rechtssicherheit für die Unternehmen, aber auch für die Behörden bei“.

Die Veröffentlichung eines Produktes unter Namensnennung des Herstellers gemäß § 40 Abs. 1a LFGB ist im Hinblick auf die daraus resultierenden Konsequenzen irreversibel. So hat schon der VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 13.9.2010, Az. 10 S 2/10) im Herbst 2010 zum Verbraucherinformationsgesetz festgestellt, dass Verwaltungshandeln durch Information irreversibel ist und eine Verbraucherinformation zu – angeblichen – Rechtsverstößen für das betroffene Unternehmen existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein kann. Die neue Möglichkeit einer nachträglichen Richtigstellung im Falle einer fälschlichen oder fehlerhaften Veröffentlichung nach § 40 Abs. 4 LFGB ist insofern nur ein schwacher Trost für die betroffenen Unternehmen und kann die erheblichen Nachteile einer vorzeitigen Veröffentlichung nicht ausgleichen. Es könne vermutet werden, so führen auch Kühne/Preuß aus, dass dem Gesetzgeber im Laufe der Beratungen klar geworden sei, dass die Veröffentlichung damit finalen Charakter habe. Zur Absicherung der Aussagefähigkeit und auch zum Ausschluss von Systemfehlern erschien daher eine zweite unabhängige Untersuchung als Tatbestandsvoraussetzung geboten.

Die von der LAV beschlossene Vorgehensweise, die Wiederholungsuntersuchung in demselben amtlichen Labor als zweite unabhängige Untersuchung gelten zu lassen, „mutet daher“, so Kühne/Preuß4, „als ‚Augen zu und durch!‘-Taktik an. Veröffentlichungen auf dieser Basis dürften in kürzester Zeit von den Verwaltungsgerichten für rechtswidrig erklärt werden und somit eine Schadensersatzpflicht der Behörden gegenüber dem Lebensmittelunternehmer auslösen“. Es erscheint ebenso erstaunlich wie begrüßenswert, dass selbst Vertreter aus der amtlichen Überwachung zu einer derart eindeutigen Bewertung des LAV-Beschlusses zum Tatbestandsmerkmal „mindestens zweier unabhängiger Unter-suchungen von Stellen nach Art. 12 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 882/2004“ kommen.

Die von der LAV gewählte Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals entspricht weder dem Wortlaut noch dem Willen des Gesetzgebers („contra legem“). Sie sollte bei entsprechender Anwendung im Vollzug von den betroffenen Unternehmen einer gerichtlichen Klärung unterworfen werden, um Rechtssicherheit zu schaffen.

(Analoge) Anwendung des § 44 Abs. 6 LFGB
Meldungen gem. Art. 19, 20 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 oder aufgrund anderer gesetzlicher Meldepflichten (wie § 44 Abs. 4, 4a, 5, 5a und § 44a Abs. 1 Satz 2 LFGB) dürfen gemäß § 44 Abs. 6 LFGB (bzw. § 44a Abs. 1 Satz 2 LFGB) nicht zur strafrechtlichen Verfolgung des Meldenden oder für ein Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Meldenden verwendet werden. Ausweislich der LAV-Vollzugshinweise scheint zwischen den Bundesländern strittig zu sein, ob § 44 Abs. 6 LFGB auf die Veröffentlichungspflicht nach § 40 Abs. 1a LFGB analog Anwendung finden und die Meldung eines Unternehmens nicht zu einer mittelbaren Sanktionierung führen soll, die über die ansonsten erforderliche Information der Öffentlichkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 LFGB hinausgeht.

Im Hinblick auf das fehlende Auskunftsverweigerungsrecht im Falle gesetzlicher Meldepflichten – der Unternehmer muss sich ggf. selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen – wurde mit § 44 Abs. 6 LFGB ein rechtsstaatliches Korrektiv geschaffen. Die auf Grundlage einer gesetzlichen Meldepflicht erlangten Daten dürfen ausschließlich für Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit verwendet werden. Eine straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Verfolgung des Unternehmers ist nach § 44 Abs. 6 LFGB ausgeschlossen.

Würden die im Rahmen einer gesetzlichen Meldepflicht erlangten Daten nun gemäß § 40 Abs. 1a LFGB veröffentlicht, führte dies zu einer unzulässigen mittelbaren Sanktionierung des Unternehmers. Es handelt sich hierbei gerade nicht um den Fall der Gefahrenabwehr, sondern um eine Transparenz-vorschrift. Die Internetveröffentlichung ist irreversibel und kann im Vergleich zur straf- oder bußgeld-rechtlichen Verfolgung für den Unternehmer sogar einen schärferen Eingriff darstellen und gravierende Nachteile mit sich bringen.

Aus diesem Grunde ist aus Sicht der Verbände eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 6 LFGB auf Rechtsverstöße im Sinne von § 40 Abs. 1a LFGB zu befürworten, die aufgrund einer gesetzlichen Meldepflicht an die Behörden übermittelt wurden. Allein aufgrund der Uneinigkeit der Bundesländer zu dieser Frage sollte aber eine entsprechende Klarstellung vom Gesetzgeber vorgenommen werden.

2. Grenzwertüberschreitungen
Die Veröffentlichungspflicht des § 40 Abs. 1a Ziff. 1 LFGB bezieht sich ausschließlich auf gesetzlich und numerisch festgelegte Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen (siehe LAV-Leitlinien; Auszug aus Beschluss der 21. ALB; Präambel der sog. ALB-Liste). Gesetzlich und numerisch festgelegte Höchstgehalte für Pestizidrückstände und Kontaminanten sind jedoch oft nur für Rohprodukte verfügbar (Bsp. Getreidekorn, Trauben). Die Höhe dieser Rückstände und Kontaminanten in und auf unverarbeiteten Lebens- und Futtermitteln kann sich unter dem Einfluss von Verarbeitungsprozessen verändern. Zur Bewertung eines Rückstands bzw. einer Kontaminante, der / die in einem verarbeiteten Produkt (Bsp. Brot, Rosinen) nachgewiesen wurde, ist demzufolge eine Rückrechnung auf den zugehörigen Rückstand im Rohprodukt erforderlich. Dies geschieht mittels sog. Verarbeitungsfaktoren, die nicht gesetzlich und numerisch festgelegt sind (siehe z. B. leerer Anhang VI der VO (EG) Nr. 396/2005 im Bereich Pestizidrückstände). Verarbeitungsfaktoren sind in der Regel prozessspezifisch und beruhen im idealen Fall auf Verarbeitungsstudien bzw. auf individuellen Berechnungen des Her-stellers. Im Bereich der Pestizidrückstände wird hilfsweise auch auf die vom BfR veröffentlichten Verarbeitungsfaktoren zurückgegriffen, die aus Modellstudien im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln stammen. Die BfR-Datensammlung zu Verarbeitungsfaktoren ist jedoch ebenfalls nicht rechtsverbindlich. Damit existiert in den Bereichen Pestizidrückstände und Kontaminanten für nicht explizit geregelte verarbeitete Produkte durch den gesetzlich nicht näher spezifizierten Verarbeitungsfaktor eine unklare Komponente, da unterschiedliche Berechnungsmethoden zu unterschiedlichen Werten führen können, die über bzw. unter dem gesetzlich festgelegten Höchstgehalt für das Rohprodukt liegen. Es erscheint daher und mit Blick auf die gravierenden Folgen für die betroffenen Unternehmen zweifelhaft, ob die Veröffentlichungspflicht gem. § 40 Abs. 1a Ziff. 1 LFGB undifferenziert auf diese Fallgestaltungen Anwendung finden kann.

3. Verstöße gegen sonstige Rechtsvorschriften - hinreichend begründeter Verdacht
Ein hinreichend begründeter Verdacht setzt im Fall des § 40 Abs. 1a Ziff. 2 LFGB voraus, dass in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt gegen dem Gesundheits-, Täuschungs- oder Hygieneschutz dienende Rechtsvorschriften des LFGB verstoßen worden ist. Zusätzlich muss die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von mindestens 350 Euro „zu erwarten“ sein. Die Behörde hat demnach entweder die beiden Tatbestandsmerkmale „in nicht nur unerheblichen Ausmaß“ und „die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,- Euro“ oder die beiden Tatbestandsmerkmale „wiederholt“ und „die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,- Euro“ unabhängig voneinander festzustellen und zu belegen.

Bußgeld von mindestens 350,- Euro zu erwarten
Die neu eingeführte Bußgeld-Mindestgrenze in Höhe von 350,- Euro wird seitens des Gesetzgebers schlicht damit begründet, dass sich diese Grenze aufgrund der bisherigen Erfahrungen als sachgerecht erwiesen habe; warum bleibt unklar. Ein klares Abgrenzungskriterium ist schon deshalb nicht gegeben, da das Bußgeld lediglich in dieser Höhe „erwartet werden“ und damit nicht rechtskräftig verhängt sein muss. Diese Prognose obliegt der Behörde; der Auslegungsspielraum ist weit gefasst. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Fehlen eines bundesweit einheitlichen Bußgeldkataloges und der damit einhergehenden fehlenden einheitlichen und damit vergleichbaren Behördenpraxis. Es erscheint äußerst fraglich, ob die neue Eingriffsschwelle mangels eines verlässlichen, objektiven Abgrenzungskriteriums damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage gerecht wird.

Verdacht einer Straftat
Vor diesem Hintergrund erscheint auch eine Ausweitung des Tatbestandes des § 40 Abs. 1a Ziff. 2 LFGB auf den Verdacht einer Straftat nicht sachgerecht; zu Recht geht dies einigen Ländern zu weit. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut, der eine Veröffentlichungspflicht bei Verdacht einer Straftat ausdrücklich nicht vorsieht. Weiterhin erscheint eine Erst-Recht-Argumentation aufgrund der mangelnden Vergleichbarkeit nicht zulässig. Der Wortlaut knüpft an ein zu erwartendes Bußgeld an, welches regelmäßig von der zuständigen Überwachungs-/Vollzugsbehörde festgesetzt wird. Der hinreichend begründete Verdacht einer Straftat ist Voraussetzung für die Einleitung eines Strafverfahrens. Die Feststellung obliegt jedoch der Staatsanwaltschaft. Gerade im Hinblick auf die schärfere Sanktion kann nicht mittels einer Erst-Recht-Argumentation der Tatbestand ausgeweitet werden. Zudem ist in der vorzeitigen Veröffentlichung ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung zu sehen (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Aufgrund der unklaren Rechtslage dürften die Bundesländer in diesem Punkt eine zeitnahe Klarstellung durch den Bundesgesetzgeber anstreben.

4. Veröffentlichte Informationen und Dauer der Veröffentlichung
Hinsichtlich der Frage, welche Informationen veröffentlicht werden, ist die Auffassung der LAV zu begrüßen, dass ausschließlich diejenigen Daten veröffentlicht werden sollen, die zur Identifizierung des Produktes notwendig sind. Maßgeblich sind damit in erster Linie die konkreten Angaben auf dem Produkt. Das gilt insbesondere für den verantwortlichen Lebensmittelunternehmer. Das Gesetz lässt bislang offen, wie lange Informationen gemäß § 40 Abs. 1a LFGB veröffentlicht werden dürfen. Aufgrund der Gesetzeslücke ist eine einheitliche Regelung über die Veröffentlichungsdauer dringend zu schaffen. Dabei ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. In Betracht kommt daher eigentlich nur eine kurzzeitige Veröffentlichung der Informationen wie ein Vergleich mit dem Bereich der Gefahrenabwehr zeigt. Dort sind die Informationen zu löschen, wenn die Gefahr beseitigt ist, spätestens jedoch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeits- bzw. Verbrauchsdatums (nebst eines Sicherheitszuschlags). Geht es um die Schaffung von Transparenz, muss dies im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs und die mangelnde Gefahr erst recht gelten. Auch insoweit erscheint eine Klar-stellung durch den Bundesgesetzgeber erforderlich, um eine rechtskonforme, bundeseinheitliche Vollzugspraxis in diesem Punkt zu gewährleisten.

5. Zuständige Behörde
Es ist dafür zu plädieren, die Zuständigkeit für eine Veröffentlichung am Sitzlandprinzip auszurichten. Insbesondere in Fällen bei denen mehrere Bundesländer betroffen sind, sollte diejenige Behörde zuständig sein, bei der die Zentrale des Herstellers bzw. des Inverkehrbringers seinen Sitz hat. Sofern keine Beschränkung auf den Sitz des Unternehmens stattfindet, bestünde die Gefahr, dass die Unternehmen mit einer Lawine an Anhörungsverfahren überhäuft werden, wenn sämtliche Behörden, die von dem Verstoß Kenntnis erlangen, sich als zuständig erachten (müssen). Die u. a. vom Land Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Kopplung an die für die Verhängung des Bußgeldes zuständige Behörde erscheint sinnvoll, da insbesondere in den Fällen des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB die Einbeziehung der Bußgeldbehörde zwingend notwendig erscheint, um eine qualifizierte Einschätzung der Bußgeldhöhe zu erhalten.