Position/Stellungnahme

Stellungnahme zum Antrag „Nahrungsergänzungsmittel besser regulieren” (Drucksache 19/19135)

- In ihrem Antrag vom 12. Mai 2020 fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Bundesregierung dazu auf, verschiedene nationale Regelungen zu Nahrungsergänzungsmitteln vorzulegen (Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe, Positivliste für sonstige Stoffe, Meldestelle zur Erfassung von Neben- und Wechselwirkungen und Warnhinweise zu Wechselwirkungen mit Arzneimitteln). Zudem soll sich die Bundesregierung für europäische Lösungen zu Höchstmengen und sonstigen Stoffen sowie für eine staatliche Zulassungspflicht für Nahrungsergänzungsmittel einsetzen. Begründet wird die Notwendigkeit dieser Maßnahmen mit zuletzt im Internet aufgetauchten unzulässig beworbenen Produkten im Zusammenhang mit COVID-19 sowie der Behauptung, die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen seien unzureichend, um Verbraucher:innen ausreichend vor Gesundheitsgefahren zu schützen.

Der Arbeitskreis Nahrungsergänzungsmittel (AK NEM) im Lebensmittelverband Deutschland e. V. nimmt hierzu wie folgt Stellung:

  1. weist eine undifferenzierte Diskreditierung einer gesamten Branche entschieden zurück: Illegale Verhaltensweisen Einzelner charakterisieren nicht den Markt;
  2. widerspricht der Behauptung, die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen seien unzureichend, um Verbraucher:innen ausreichend vor Gesundheitsgefahren zu schützen: Den umfangreichen gesetzlichen Vorgaben entsprechende Nahrungsergänzungsmittel sind sicher;
  3. begrüßt die Forderung, sich für europäische Höchstmengen einzusetzen: Die Wiederaufnahme der Diskussion und die Verständigung auf einen europäischen Ansatz sind überfällig;
  4. unterstützt die Initiative für eine einheitliche Handhabung von sonstigen Soffen in der Europäischen Union (EU): bestehende Lücken in der Harmonisierung der rechtlichen Vorschriften sollten zum Nutzen aller geschlossen werden;
  5. betont, dass Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel sind. Systembedingt erfolgt die Zulassung der verwendbaren Zutaten im Lebensmittelrecht auf Stoffebene;
  6. unterstreicht, dass Verbraucher:innen in Deutschland nachweislich verantwortungsbewusst mit Nahrungsergänzungsmitteln umgehen. Sie vertrauen zu Recht darauf, die Produkte entsprechend der Hinweise und Empfehlungen der Hersteller sicher verzehren zu können;
  7. hält abschließend fest: Die Zufuhr an wichtigen Vitaminen und Mineralien ist auch in Deutschland entgegen allgemeiner Beteuerungen oftmals nicht wie sie sein sollte. Nahrungsergänzungsmittel können als Teil der täglichen Ernährung die Nährstoffzufuhr verbessern.

Im Folgenden werden die einzelnen Punkte vertiefend erläutert.  

1. Der AK NEM weist eine undifferenzierte Diskreditierung einer gesamten Branche entschieden zurück: Illegale Verhaltensweisen Einzelner charakterisieren nicht den Markt.

Der AK NEM hat sich wiederholt von unseriösen und illegalen Praktiken distanziert und wird dies weiterhin tun. Keinem Lebensmittel dürfen Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Krankheit zugeschrieben werden, es darf nicht einmal der Eindruck dieser Eigenschaften erweckt werden. Dieses Verbot krankheitsbezogener Angaben gilt für alle Lebensmittel, und damit auch für Nahrungsergänzungsmittel. Deshalb ist auch jegliche Bewerbung von Produkten mit Aussagen zu Vorbeugung, Behandlung oder Heilung von COVID-19 verboten. Wer gegen diese Verbote verstößt und Verbraucher:innen in welcher Form auch immer suggeriert, dass mit Nahrungsergänzungsmitteln Krankheiten vorgebeugt oder geheilt werden könnten, handelt nicht nur unverantwortlich den hilfesuchenden Menschen gegenüber, sondern schlicht illegal.

Zugleich bedarf es der ergänzenden Klarstellung, dass diese illegalen Verhaltensweisen durch das Handeln einzelner unseriöser Anbieter bestimmt werden, die ihre Erzeugnisse zumeist über den Vertriebsweg Internet vermarkten. Eine fehlende Differenzierung führt dazu, dass eine gesamte Branche zu Unrecht diskreditiert wird, die seriös agiert, sich an das geltende Recht hält und sichere Lebensmittel anbietet.

2. Der AK NEM widerspricht der Behauptung, die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen seien unzureichend, um Verbraucher:innen ausreichend vor Gesundheitsgefahren zu schützen: Den umfangreichen gesetzlichen Vorgaben entsprechende Nahrungsergänzungsmittel sind sicher.

Entgegen der im Antrag formulierten Behauptung bietet der bestehende Rechtsrahmen bereits ein hohes Maß an Verbraucherschutz. Daran ändert das Fehlen gesetzlicher Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe oder einer Positivliste für sonstige Stoffe nichts.

Nahrungsergänzungsmittelhersteller agieren nicht im rechtsfreien Raum, sondern unterliegen im Gegenteil den umfangreichen gesetzlichen Bestimmungen des Lebensmittelrechts, die die Sicherheit aller Lebensmittel garantieren. Dabei gilt: Nur sichere Zutaten dürfen in Lebensmitteln und somit in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden. Entsprechende Vorgaben, die Lebensmittelhersteller zur Sicherung der Produktqualität und des Gesundheitsschutzes zu beachten haben, finden sich in verschiedenen europäischen Regelungen. Beispielhaft seien hier die Vorgaben der Basis-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 178/2002), der Anreicherungsverordnung (Vorordnung (EG) Nr. 1925/2006) oder der Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (Novel Food-Verordnung) genannt. Über die allgemeinen Vorschriften des Lebensmittelrechts hinaus gibt es zudem spezielle Vorschriften für Kennzeichnung und Zusammensetzung von Nahrungsergänzungsmitteln.

Daher sind die im deutschen Handel angebotenen Nahrungsergänzungsmittel sicher– und müssen das wie alle Lebensmittel EU-weit sein. Andernfalls kann die Lebensmittelüberwachung diese vom Markt nehmen. Das Anzeigeverfahren in Deutschland garantiert zudem, dass die zuständigen Kontrollbehörden vor Ort über die Hersteller und deren Nahrungsergänzungsmittel im Markt informiert sind und ermöglicht die flächendeckende und im stationären Handel etablierte Überwachung der Produkte in Deutschland. So werden von größeren Nahrungsergänzungsmittelherstellern aus den Regalen deutschlandweit bis zu 800 Proben pro Jahr und Marke gezogen und untersucht.

Hingegen ist bekannt, dass die Überwachung des Lebensmittelangebots im Internet mit großen Herausforderungen verbunden ist. Selbstverständlich gibt es auch seriöse Onlineanbieter, bei denen unbedenk-lich Nahrungsergänzungsmittel bestellt werden können. Leider finden sich aber immer wieder Unternehmen, die sich bei der Werbung und Produktzusammensetzung nicht an die strengen gesetzlichen Vorgaben halten – und sich alleine schon dadurch strafbar machen, dass sie ihre Produkte nicht anzeigen und sich somit der Lebensmittelüberwachung entziehen. So ist es nicht verwunderlich, wenn auch sehr be-dauerlich, dass die Lebensmittelüberwachung wiederholt die im Antrag geschilderten Fälle von Produkten findet, in denen nicht zugelassene Zutaten verwendet werden.

Die Herausforderung liegt darin, bestehendes Recht in allen Vertriebswegen gleichermaßen durchzusetzen, um das hohe Verbraucherschutzniveau, das das europäische Lebensmittelrecht vorgibt, flächendeckend zu gewährleisten. Initiativen zu gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf Höchstmengen oder sonstige Stoffe sind begrüßenswert, ändern aber an dieser Tatsache nichts. Es gilt vielmehr, die behördlichen Initiativen auf nationaler und europäischer Ebene zur Stärkung und Verbesserung der Effizienz der Internetkontrolle zu stärken.

3. Der AK NEM begrüßt die Forderung, sich für europäische Höchstmengen einzusetzen: Die Wiederaufnahme der Diskussion und die Findung eines europäischen Konsenses ist überfällig.

Für eine einheitliche, gesetzliche und europaweite Festlegung von Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe macht sich die Lebensmittelwirtschaft seit Jahren stark. Entsprechend hat der AK NEM die im April 2020 veröffentlichte Ankündigung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), sich auf europäischer Ebene für einheitliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln einzusetzen zu wollen, sehr begrüßt. Die Festsetzung von Höchstmengen, wie vom europäischen Gesetzgeber vorgesehen, ist nicht nur aus Sicht des Verbraucherschutzes zu begrüßen, dient sie doch zugleich der (Rechts-)Sicherheit für Unternehmen und garantiert den freien Warenverkehr in Europa. Diese Ziele können jedoch nur erreicht werden, wenn Höchstmengen wissenschaftlich fundiert, europaweit implementiert und dabei verhältnismäßig sind.

Dem werden die Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) aus dem Jahr 2018, auf die der Antrag Bezug nimmt, nur unzureichend gerecht. Der AK NEM hat hierzu umfassend Stellungnahme genommen (https://www.lebensmittelverband.de/de/verband/organisation/arbeitskreis-nahrungsergaenzungsmittel-ak-nem/ak-nem-stellungnahme-bfr-empfehlungen-hoechstmengen-nem/). Fakt ist, dass ein zu restriktiver Ansatz, der dem Maßstab Gesundheitsschutz der Bevölkerung nicht gerecht wird, unverhältnismäßig ist. Es schränkt die Produktauswahl für den Verbraucher unnötig ein und benachteiligt die inländische Lebensmittelwirtschaft im Inland und im Export. Deshalb müssen europäisch einheitliche Vorgaben erfolgen.

Wichtig ist an dieser Stelle klarzustellen, dass Produkte mit Dosierungen, die über den sehr konservativ formulierten Empfehlungen des BfR liegen, nicht unsicher sind oder gar automatisch mit Gesundheitsrisiken einhergehen, wie dies in der öffentlichen Debatte mit dem irreführenden Begriff der „Überdosierung“ suggeriert wird.

Insgesamt bedarf es eines offenen europaweiten Diskurses über die zum Teil erheblich unterschiedlichen Interpretationen der gleichen wissenschaftlichen Daten und der verschiedenen methodischen Ansätze zur Ableitung von Höchstmengen. Nationale Alleingänge sind nicht zielführend. Unterschiedliche Höchstmengen in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU sind in Zeiten, in denen Konsumenten auch über Grenzen hinweg einkaufen, weder zeitgemäß noch zum Verbraucherschutz sinnvoll und stehen im Widerspruch zum Grundsatz des freien Warenverkehrs in der EU.

4. Der AK NEM unterstützt die Initiative für eine einheitliche Handhabung von sonstigen Soffen in der EU: Noch bestehende Lücken in der Harmonisierung der rechtlichen Vorschriften sollten zum Nutzen aller geschlossen werden.

Im Zusammenhang mit der geforderten Positivliste für sonstige Stoffe mit ernährungsphysiologischer Wirkung wird zunächst darauf hingewiesen, dass die Verwendung dieser Stoffe bereits heute im Rahmen des europäischen Lebensmittelrechts geregelt ist. Da die Gruppe der sonstigen Stoffe um einiges größer und uneinheitlicher als die der Vitamine und Mineralstoffe ist, hat der Gesetzgeber hierfür den Ansatz der Verbotsliste verfolgt, d. h. die Stoffe zu verbieten, für die Sicherheitsbedenken bestehen. Dies geschieht in erster Linie im Rahmen der sogenannten Anreicherungs-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1925/2006).

Unabhängig davon wird seit geraumer Zeit, insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten Botanicals, die Erstellung einer Positivliste diskutiert. Dies geschieht vor allem vor dem Hintergrund, dass es verschiedene Ansätze und Traditionen in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verwendung und Auslobung der einzelnen Pflanzen gibt. Aus Sicht des AK NEM wäre eine europaweite Harmonisierung der Handhabung sehr zu begrüßen. Hierfür hat sich die europäische Nahrungsergänzungsmittelbranche auch im Rahmen der Konsultationen zur Evaluierung der Claims-Verordnung im Hinblick auf die gesundheitsbezogenen Angaben zu Pflanzen und Pflanzenzubereitungen ausgesprochen. Sinnvoll wäre eine europäische Regelung mit einer europaweit einheitlichen Liste von zugelassenen Pflanzen einschließlich zulässiger gesundheitsbezogener Angaben. Dabei ist sowohl die traditionelle Verwendung von Pflanzen in Lebensmitteln in Europa als auch das traditionelle Wissen über deren (ernährungs-)physiologischen Nutzen an-gemessen zu berücksichtigen. Ergänzt werden könnte dies um ein europaweit harmonisiertes Notifizie-rungssystem für Nahrungsergänzungsmittel und ein Monitoring von unerwünschten Nebeneffekten (Nutrivigilanzsystem).

Jüngst ist der Bericht der Kommission zum Fitnesscheck der Claims-Verordnung veröffentlicht worden. Im Ergebnis kommt die Kommission zu dem Schluss, dass durch das existierende Regelwerk „die Sicher-heit von pflanzenhaltigen Lebensmitteln adäquat gewährleistet wird“. Zugleich wird eine systematischere Prüfung der in Lebensmitteln verwendeten pflanzlichen Stoffe als Möglichkeit beschrieben, potentiell gesundheitsschädliche Auswirkungen auszuschließen. Insgesamt wird die Tatsache anerkannt, dass „ein EU-weit harmonisiertes Regelwerk für Pflanzen, die in Lebensmitteln verwendet werden, durch eine Positiv- oder Negativliste der Pflanzen die Sicherheit und das reibungslose Funktionieren des Binnen-markts verbessern“ würde. Daran gilt es nun anzuknüpfen und gemeinsam darauf hinzuwirken, ein ent-sprechendes europäisches Reglungswerk zu etablieren.

Der Fokus sollte deshalb darauf liegen, die bestehenden Lücken in der Harmonisierung der rechtlichen Vorschriften zu füllen. Überflüssig ist hingegen die Wiedereröffnung der Diskussion um eine Grundsatzentscheidung, die der Gesetzgeber gemeinsam mit den Mitgliedstaaten bereits vor nunmehr fast 20 Jahren entschieden hat: Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel und bedürfen daher auch keiner Zulassung.

5. Der AK NEM betont: Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Systembedingt erfolgt die Zulassung der verwendbaren Zutaten im Lebensmittelrecht auf Stoffebene.

Gerne wird in der öffentlichen Debatte, und so auch in dem Antrag, davon gesprochen, dass Nahrungsergänzungsmittel „lediglich“ angezeigt werden müssen. Diese Formulierung suggeriert, dass die Produkte weniger sicher sind als Arzneimittel. Der Vergleich jedoch hinkt und ist nicht sachgemäß, denn die beiden Rechtsbereiche sind bewusst und aus gutem Grund unterschiedlich angelegt.

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel – so hat es der Gesetzgeber bewusst schon vor fast 20 Jahren festgelegt. Das mag manchen nicht gefallen, ist aber europaweiter Konsens. Wie alle Lebensmittel dürfen Nahrungsergänzungsmittel daher ohne amtliche Zulassung von registrierten Lebensmittelproduzenten verkauft werden – immer vorausgesetzt, alle gesetzlichen Vorgaben werden beachtet, die Lebensmittel und ihre Zutaten sind sicher und die Aufmachung ist nicht irreführend. Damit einfacher kontrolliert werden kann, dass alle Vorschriften eingehalten werden, gibt es die Anzeigepflicht. So hat die Überwachung die notwendigen Informationen vorliegen bzw. kann ergänzende Informationen bei Bedarf beim Hersteller nachfragen.

Im Unterschied zu Arzneimitteln sind Nahrungsergänzungsmittel nicht zur Vorbeugung oder Heilung von Krankheiten bestimmt. Als Lebensmittel verbessern sie die Nährstoffzufuhr im Rahmen der täglichen Ernährung des „gesunden Verbrauchers“. Sie dürfen im Gegensatz zu Arzneimittel nicht pharmakologisch wirksam sein. Arzneimittel müssen hingegen pharmakologisch wirksam sein und richten sich an die vulnerable Gruppe der Kranken. Im Gegensatz zu Lebensmitteln, bei denen das Lebensmittelrecht die zu verwendeten Stoffe reglementiert (z. B. welche Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt werden dürfen, welche Zusatzstoffe verwendet werden dürfen, welche Lösungsmittel für die Herstellung des Extrakts zulässig sind und welche neuartigen Lebensmittelzutaten die Hersteller einsetzen dürfen), sind die zu verwendenden Stoffe bei Arzneimitteln nicht begrenzt oder vorgeschrieben. Entsprechend hoch ist das Risikopotential bei Arzneimitteln. Deshalb ist eine Vorabprüfung von Arzneimittel in Form der Einzelzulassung unerlässlich. Lebensmittel werden übrigens nur als „sicher“ klassifiziert“, wenn sie ein Leben lang ohne Bedenken verzehrt werden können – eine Vorstellung, die bei Arzneimitteln aus guten Grund fernliegt. Lebensmittel erfüllen damit einen höheren Sicherheitsstandard als Arzneimittel.

Für Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel ist die Forderung einer Zulassungsplicht in Anlehnung an das Arzneimittelrecht daher reiner Populismus. Eine Zulassungspflicht änderte im Übrigen nichts an der eigentlichen Problematik der begrenzten Anzahl nicht-gesetzeskonformer Produkte im Internet. Denn problematisch sind nicht die verantwortungsvoll handelnden Unternehmen, die ihre Produkte anzeigen und sich an das bereits umfassende Recht halten, sondern nur die Firmen, die bewusst (oder unbewusst) das Gesetz missachten und ihre illegalen Produkte nicht anzeigen. Deshalb ist auch die dem Antrag zugrundeliegende Behauptung von Gesundheitsrisiken beim Verzehr legaler Erzeugnisse schlicht falsch.

6. Der AK NEM unterstreicht, dass Verbraucher:innen in Deutschland nachweislich verantwortungsbewusst mit Nahrungsergänzungsmittel umgehen. Sie vertrauen zu Recht darauf, die Produkte entsprechend der Hinweise und Empfehlungen der Hersteller sicher verzehren zu können.

Die Produktinformationen auf der Verpackung, insbesondere die Verzehrempfehlung, ermöglichen es den Verbrauchern, die Produkte in der vorgesehenen Dosierung als Teil der täglichen Ernährung zu verwenden. Erkenntnisse aus einer repräsentativen Umfrage der Universität Hannover in Kooperation mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigen (https://www.lebensmittelverband.de/de/aktuell/20151110-studie-bewusster-umgang-verwendung-nahrungsergaenzungsmittel/ ), dass die deutschen Verbraucher:innen, die Nahrungsergänzungsmittel verzehren, die Verpackungshinweise lesen und beachten. Die Nahrungsergänzungsmittelverwender sind insgesamt sehr gut informiert und gehen bewusst mit den Produkten um. Wenn sie mehrere Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, kombinieren sie diese sinnvoll.

Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln setzt weder eine ärztliche Empfehlung noch die Feststellung von krankhaften Mangelzuständen voraus! Im Gegenteil, sollen doch Nahrungsergänzungsmittel explizit als Teil der täglichen Ernährung das Auftreten von Nährstoffdefiziten verhindern. Gleichwohl können Ärzte wie auch Apotheker, Ernährungsfachkräfte oder auch die Hersteller geeignete Ansprechpartner bei Fragen rund um Nährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel sein. Insbesondere Personen, die regelmäßig Medikamente einnehmen, sollten sich im Zweifelsfall beraten lassen, welche Nahrungsergänzungsmittel für sie geeignet sind. Generell ist es Verbraucher:innen zu empfehlen, mit ihrem Arzt zu besprechen, welche Wechselwirkungen die jeweiligen Arzneimittel untereinander und mit Lebensmitteln aller Art haben können, nicht nur mit Nahrungsergänzungsmitteln.

7. Der AK NEM hält abschließend fest: Die Zufuhr an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen ist auch in Deutschland entgegen allgemeiner Beteuerungen oftmals nicht wie sie sein sollte. Nahrungsergänzungsmittel können als Teil der täglichen Ernährung die Nährstoffzufuhr verbessern.

Gerne wird die Nationale Verzehrstudie II zitiert, nach der die Versorgung mit den meisten Vitaminen und Mineralstoffen in Deutschland im Durchschnitt gut ist. Es lohnt jedoch ein zweiter Blick. Bei genauerer Betrachtung der Ernährungssituation wird nämlich deutlich, dass auch in Deutschland der Einzelne die Zufuhrempfehlungen für essentielle Nährstoffe des Öfteren nicht erreicht. So erreichen nur zehn bis 20 Prozent der Deutschen die Zufuhrempfehlungen für Vitamin D. Weite Teile der Bevölkerung führen zu wenig Folat zu, insbesondere junge Frauen (95 Prozent). Bei Vitamin E und Calcium erreichen nur 45 bis 55 Prozent die empfohlenen Mengen. Bei Eisen oder Vitamin C liegen die Zufuhrmenge bei 28 bzw. 31 Prozent unter den Empfehlungen. Dass dies so ist, und zwar europaweit, war vor 20 Jahren der Grund für die Verständigung auf die Nahrungsergänzungsmittel und der Gesetzgeber hat das in das in der Gesetzesbegründung genau so formuliert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit Nahrungsergänzungsmittel zur Vitamin- und Mineralstoffversorgung in Deutschland beitragen. Zu dieser Frage weist der Ernährungsbericht 2012 erstmals detailliertere Auswertungen auf. Nahrungsergänzungsmittel tragen demnach nachweislich dazu bei, eine ausreichende Versorgung insbesondere von kritischen Nährstoffen (z.B. Calcium, Folat, Eisen) zu erreichen.

Bezogen auf die ältere Bevölkerung ergibt sich ein verschärftes Bild. Wissenschaftliche Erhebungen wie die Nationale Verzehrstudie II und spezielle Studien zur Versorgungslage belegen, dass über Dreiviertel der Älteren in Pflegeheimen die Zufuhrempfehlungen bei Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E und Folat nicht erreichen. Auch bei Vitamin B12 und weiteren B-Vitaminen ist die Versorgung in weiten Teilen unbefriedigend. Die Verwendung von Supplementen kann hier unstrittig helfen, den speziellen Ernährungsanforderungen, die mit dem Alter einhergehen können, gerecht zu werden und altersbedingte Nährstoffdefizite vorzubeugen.

Nahrungsergänzungsmittel können aber nicht nur dem Einzelnen helfen, seine Ernährung zu verbessern, sondern darüber hinaus gesellschaftlichen Nutzen stiften. In dem sie helfen, die empfohlenen Zufuhrmengen an Nährstoffen zu erreichen, tragen sie dazu bei, die Gesundheit zu erhalten. Durch eine breitere Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln könnte dadurch das Gesundheitssystem entlastet und Gesundheitskosten in Milliardenhöhe eingespart werden. Zu diesem Ergebnis kommen Analysen des unabhängigen Marktforschungsunternehmens Frost & Sullivan im Auftrag von Food Supplements Europe. So könnte beispielsweise eine breitere Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Vitamin D und Calcium helfen, alleine in Deutschland Gesundheitskosten in Höhe von 1,09 Milliarden Euro pro Jahr einzusparen (https://foodsupplementseurope.org/value-of-supplementation/)

8. Fazit

Die im Antrag formulierte Forderung nach einer Festlegung europaweiter Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe findet die volle Unterstützung der Branche. Dies allerdings nicht wegen der behaupteten Risiken und Gefahren, denn die gehen von den legalen Produkten am Markt nicht aus. Nur eine europäische Höchstmengenregelung dient in den heutigen Zeiten des europaweiten, grenzüberschreitenden Handels dem Verbraucherschutz und hilft, diesen auch im Internet leichter durchzusetzen. Dies entlastet zugleich die deutsche Lebensmittelüberwachung und fördert die Rechtssicherheit für Unternehmen.

Alle weiterführenden Forderungen nach Positivlisten auf nationaler oder europäischer Ebene oder einer staatlichen Zulassungspflicht für Nahrungsergänzungsmittel wären nicht nur systemwidrig, sondern können vor allem mit den angeführten Gründen nicht gerechtfertigt werden. Der Antrag geht nicht nur bei der Versorgungslage der Bevölkerung von falschen Annahmen aus, sondern auch und insbesondere bei den fälschlich behaupteten Sicherheitsrisiken beim Verzehr von legalen Nahrungsergänzungsmitteln.

Ausdrücklich zu begrüßen sind die bereits bestehenden Initiativen zur besseren Kontrolle des Internethandels auf nationaler und europäischer Ebene, die es zu fördern und zu verstetigen gilt. Der AK NEM hat diese stets unterstützt und wird dies auch weiterhin tun. Ergänzend ist die Aufklärung der Verbraucher:innen über Sinn und Zweck von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll. Auch hierzu ist der AK NEM mit seinen verschiedenen Medien und Informationsplattformen gerne unterstützend tätig.