Bekämpfung von Übergewicht im Kindesalter erfordert gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss
Berlin, - Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis stellten heute auf der Jahrestagung des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) Lösungsansätze für eine gesündere Lebensweise bei Kindern und Jugendlichen vor.
„"Das Ausmaß, das Übergewicht und Fettleibigkeit angenommen haben, hätten wir uns noch vor ein paar Jahren nicht träumen lassen“", so Bundesministerin Renate Künast heute auf der Jahrestagung des BLL in Berlin. „"Die Prävention von Übergewicht ist die ernährungspolitische Herausforderung der Zukunft.“" Die Lösung liege in der Prävention, grundlegend sei ein gesundes Verhältnis zum Essen, dem eigenen Körper und der Umwelt. „"Es ist im Ergebnis eine Frage des Lebensstils“", ergänzte die Bundesministerin. Es gäbe bereits eine Reihe von Initiativen für eine bessere Ernährungserziehung und Bewegungsförderung. "„Jetzt ist es an der Zeit, all diese Maßnahmen zu bündeln“", so die Bundesministerin, „"wir brauchen eine Ernährungsbewegung für Deutschland."“ Aus diesem Grunde wolle sie gemeinsam mit der Wirtschaft die Plattform "„Ernährung und Bewegung"“ gründen. „"Wir haben nur dann eine Chance, wenn alle gesellschaftlichen Akteure an einem Strang ziehen und gemeinsam handeln"“, sagte die Bundesministerin. Ziel sei es, dass die Lebensweisheit zukünftiger Generationen “Gesundes Essen und mehr Bewegung bedeuten gutes Leben“ laute.
Prof. Dr. Klaus Bös, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft an der Universität Karlsruhe, sieht ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. Die Bewegungswelt von Kindern und Jugendlichen habe sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Aktivität in Spiel und Sport sei sicherlich kein Allheilmittel, um gesellschaftliche Probleme zu lösen, sie würde aber gerade der Jugend vielfältige Chancen für die Bildung einer leistungsfähigen, gesunden und selbstbewussten Persönlichkeit bieten.
Auf den Zusammenhang von Übergewicht und Genetik wies Prof. Dr. Johannes Hebebrand, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie an der Philipps-Universität Marburg, hin. Ob und wie stark ein Mensch unter den heutigen Lebensbedingungen übergewichtig werde, hinge stark von erblichen Faktoren ab. „"Die Beteiligung genetischer Faktoren an der Gewichtsregulation bedeutet jedoch nicht, dass man nichts gegen sein Übergewicht tun kann"“, so Hebebrand. Vielmehr könnten Gewichtsstörungen durch das Einhalten bestimmter Verhaltensweisen günstig beeinflusst werden.
Als alarmierend bezeichnete Prof. Dr. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechselkrankheiten und Ernährungsmedizin am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München, die Situation: Bereits im Grundschulalter seien mehr als 10 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig, mit jährlich steigender Tendenz. "Um wirksame Maßnahmen zur Prävention zu entwickeln, muss an den vielfältigen Ursachen von Übergewicht angesetzt werden“", so Koletzko. So zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien ein erhöhtes kindliches Risiko für Übergewicht bei übergewichtigen Eltern und insbesondere Müttern. Auch sozioökonomische Bedingungen und familiäre Traditionen seien von großer Bedeutung. Oft würden einzelne Lebensmittel für das zunehmende Übergewicht verantwortlich gemacht. Erhebungen bei Normal- und Übergewichtigen zeigten keinen Unterschied in der Häufigkeit, mit der bestimmte Lebensmittel verzehrt würden. „"Angesichts der sich derzeit entwickelnden Übergewichts-Epidemie im Kindesalter ist auch für unser Land die Weiterentwicklung und die breitenwirksame Anwendung evaluierter Präventionsstrategien dringend notwendig"“, fordert Koletzko.
Dieser Meinung schließt sich auch die Lebensmittelwirtschaft an, die ihre Bereitschaft bekundete, an Problemlösungen aktiv mitzuwirken. „"Die vom Bundesverbraucherministerium und der Lebensmittelwirtschaft angekündigte Plattform 'Ernährung und Bewegung' soll ein Forum für alle gesellschaftlichen Bereiche werden, die dazu beitragen wollen, dass unsere Kinder einen gesunden Lebensstil führen, dass sie gesund essen und sich wieder mehr bewegen“", so Dr. Theo Spettmann, Präsident des BLL.
Als Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft begrüßt der BLL die auf internationaler und nationaler Ebene angestoßene breite Debatte zu Ursachen und Prävention von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter. Der BLL beteiligt sich aktiv an der Entwicklung von Lösungsansätzen und will gemeinsam mit der Politik und möglichst vielen gesellschaftlichen Akteuren das Verständnis für einen gesunden Lebensstil in der Bevölkerung fördern.