Diskurs Grüne Gentechnik - Abschlussveranstaltung am 3. September 2002
Berlin, - Susanne Langguth
Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (BLL) und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE) begrüßen, dass der Diskurs Grüne Gentechnik durchgeführt wurde. Die Tatsache, dass sich 30 gesellschaftliche Gruppen in dem Diskurs engagiert haben, zeigt einerseits, dass das Interesse an der Grünen Gentechnik nach wie vor hoch ist, zum anderen wird es als hilfreich angesehen, dieses komplexe Thema umfassend und kritisch zwischen allen Beteiligten, zwischen Anwendern und Verbrauchern, zwischen Kritikern und Befürwortern zu diskutieren. Ein bleibender Wert des Diskurses ist die Fülle der Fakten, auf denen die weitere Diskussion nun aufbauen kann.
In diesem Sinne bedanken wir uns bei Frau Ministerin Künast für die Initiative zu diesem Diskurs sowie beim BMVEL für die Begleitung, bei Ruth Hammerbacher für die Moderation sowie bei allen anderen, die uns durch ihre Vorträge - unabhängig aus welcher Richtung - wertvolle Informationen und Einschätzungen zur Verfügung gestellt haben. Wir bedanken uns auch bei denjenigen, die mit ihren Diskussionsbeiträgen erst die Möglichkeit eröffnet haben, aufeinander einzugehen und zueinander Position zu beziehen. Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass bei weitem nicht alle unsere Erwartungen an den Diskurs erfüllt wurden.
Dass es aber beinahe gelungen wäre, den dringend benötigten Konsens über die wichtige Frage der Ko-Existenz von konventionellen und ökologischen sowie Produktionsverfahren unter Einsatz der Gentechnik trotz unterschiedlicher Sichtweisen zu erzielen, ist ein ermutigender Erfolg des Diskurses. Die Basis für eine zukünftige Verständigung ist damit nicht nur innerhalb der Lebensmittelkette, einschließlich der Gewerkschaften, sondern auch weit darüber hinaus gewachsen. Diejenigen, die nicht bereit waren, sich von vorher gefassten Meinungen zu lösen und die einen Konsens verhindert haben, sind nun die Minderheit. Wer nicht konsens- bzw. kompromissfähig ist, gehört in unserer Gesellschaft zwangsläufig zur Minderheit.
BLL und BVE sind davon überzeugt, dass die Gentechnologie als Schlüsseltechnologie erhebliches Innovationspotential besitzt:
- Steigerung der Produktivität der landwirtschaftlichen Erzeugung, wo dies notwendig und gewünscht ist
- Verbesserung des Schutzes der Umwelt in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung
- Erhöhung von Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität
- Sie kann einen Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften leisten
Dieses Potential trifft grundsätzlich auch auf den ökologischem Anbau zu.
Innovationspotentiale müssen verantwortlich genutzt werden, um Fortschritt zu erzielen, und um wettbewerbsfähig zu sein. Wettbewerbsfähigkeit sichert vor allem Arbeitsplätze und schafft aber darüber hinaus auch die Möglichkeit, die Bedingungen für die Anwendung einer Technologie auf internationaler Ebene mitzubestimmen. Solche Chancen ungeprüft nicht zu nutzen, ist verantwortungslos.
Die mit der Grünen Gentechnik verbundenen Chancen müssen sich selbstverständlich in der Praxis, im Einzelfall und letztlich am Markt bewähren. Die Grüne Gentechnik für sich alleine genommen ist kein Allheilmittel; die Erfahrungen und Beurteilungen anderer Länder sind für uns wichtig, aber nicht verbindlich. Die Bewertung der Technologie für uns kann nur unter Praxisbedingungen und am Markt in Deutschland bzw. in Europa erfolgen. Das politische "EU-Moratorium" verwehrt eigene europäische Bewertungsmöglichkeiten und verhindert damit die Wahlfreiheit für Verbraucher und Wirtschaft. Eine solche Bevormundung von aufgeklärten, demokratischen Gesellschaften ist nicht akzeptabel.
Deutschland und Europa sind wichtige Partner im Welthandel sowohl als Exporteure als auch als Importeure von Waren und Dienstleistungen aller Art. Gerade im Bereich landwirtschaftlicher Rohstoffe besteht zum Teil eine erhebliche Abhängigkeit von Einfuhren. Dies betrifft z. B. Ölsaaten, wie Soja, die einerseits in der Lebensmittelwirtschaft und andererseits in der Futtermittelwirtschaft verarbeitet werden. Der weltweit zunehmende Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen hat dazu geführt, dass solche Produkte bei uns seit Jahren auf dem Markt sind. Das gilt auch für einige Enzyme und Vitamine. Diese Ko-Existenz hat erwarteter Weise bisher zu keinen Problemen geführt; sie muss deshalb weiterhin möglich sein.
Sowohl für die Anwendung der Gentechnik als auch vor dem Hintergrund der Ko-Existenz bedarf es verlässlicher rechtlicher Rahmenbedingungen. Dies gilt um so mehr, als die bisherigen und insbesondere künftigen Regelungen nahezu umfassend sind und erhebliche Eingriffe des Staates in wirtschaftliches Handeln, d. h. in Angebot und Nachfrage, nach sich ziehen. Die Ernährungswirtschaft erwartet von der Politik sachgerechte Regelungen, die nicht zum Ziel haben, den Einsatz der Gentechnik quasi durch die Hintertür zu verhindern, sondern in verhältnismäßiger Weise Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Umweltschutz gewährleisten. Regelungen müssen auch für klein- und mittelständische Unternehmen praktikabel sein. Dies bedeutet auch die Notwendigkeit praktikabler Schwellenwerte und praktikabler Kennzeichnungsvorschriften.
Zu den verlässlichen Rahmenbedingungen gehört auch, dass die Gesetze dem Buchstaben und dem Geist entsprechend angewandt, kontrolliert und auch durchgesetzt werden. Das gilt auch für unsere "sonstige Rechtsordnung", einschließlich des Strafrechts.
Der Diskurs hat in eindrucksvoller Weise bestätigt, dass die Grüne Gentechnik sicher, beherrschbar und umweltverträglich ist. Dies hatte zuletzt auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einer Stellungnahme Ende 2001 erneut bestätigt. Die Ernährungswirtschaft setzt sich für eine verantwortungsbewusste Anwendung und Weiterentwicklung auf der Basis hoher internationaler Sicherheitsstandards ein.
Ein wichtiges Anliegen der Ernährungswirtschaft ist die Information der Öffentlichkeit und des Verbrauchers über die Herstellung und die Qualität ihrer Produkte, über Qualitätssicherungssysteme sowie über die sachgerechte Handhabung der Produkte. Es hat sich in den vergangenen Jahren in der gesellschaftlichen Diskussion um pro und contra zur Grünen Gentechnik gezeigt, wie schwierig es ist, den Verbrauchern mit Informationen zu erreichen. Es bedarf offensichtlich weiterer Anstrengungen, um Daten und Fakten, Chancen und Risiken dieser Technologie in einer solchen Weise zu vermitteln, dass die Botschaft als adressatengerechte Information auch tatsächlich bei Verbrauchern und Öffentlichkeit ankommt. Daran will sich die Ernährungswirtschaft weiterhin aktiv beteiligen.
In diesem Zusammenhang werden wir versuchen, die in dem Diskurs angetroffene Gesprächsbereitschaft auch bei den gesellschaftlichen Gruppen, die der Technologie eher kritisch gegenüberstehen aufzugreifen und den Dialog zu vertiefen. Wir wissen, dass der Weg zur gemeinsamen Position noch weit ist; dies ist auch im Diskurs deutlich geworden. Wir wissen aber auch: Nur wer miteinander spricht kann Verständnis für die jeweilige Position des anderen erlangen und nach Möglichkeiten suchen, Gemeinsamkeiten zu finden.