Herausforderung Herkunftskennzeichnung: Welche Information wollen Verbraucher:innen?
Verbraucher möchten wissen, ob ein Apfel am Bodensee oder in Chile angebaut wurde. Sie möchten sicher gehen, dass ein ursprunggeschützter "Allgäuer Bergkäse" tatsächlich aus dem Allgäu stammt. Aber wollen sie wirklich wissen, wo jede einzelne Zutat eines Pfannengemüses herkommt?
Weisen die Hersteller alle Informationen über sämtliche Zutaten bei zusammengesetzten Produkten auf einer Verpackung aus, verliert der Konsument schnell den Überblick. Eine lückenlose Herkunftskennzeichnung würde in diesem Fall etwa so aussehen wie auf dem folgenden Bild.
Die Herkunftskennzeichnung eines Apfels und damit seines Anbaugebietes ist anders zu bewerten als die Kennzeichnung einzelner Zutaten eines zusammengesetzten Produktes.
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist die geschützte Bezeichnung "Düsseldorfer Löwensenf", der in Düsseldorf produziert wird. Unbedeutend ist dagegen, ob die Senfkörner für die Produktion aus Düsseldorf stammen; gleiches gilt für die Mandeln im Lübecker Marzipan. In Lübeck wachsen aus klimatischen Gründen keine Mandeln. Die Mandeln werden folgerichtig aus anderen Gebieten zugeliefert - und zwar je nach Marktangebot, Preis, Ernteergebnis und Verfügbarkeit. Selbstverständlich haben Sicherheit und Qualität dabei erste Priorität.
Was ist das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels?
Was ist überhaupt Herkunft? Schon das Beispiel "Pfannengemüse" zeigt, dass für zusammengesetzte Produkte eine klare und einheitliche Herkunftsbezeichnung nicht möglich ist. Selbst bei einem Einzelprodukt wie Schinken wird die Herkunftsangabe schwierig: Kommt der Schinken aus dem Land, wo das Schwein geboren wurde, wo es aufgezogen oder geschlachtet wurde? Oder kommt der Schinken aus dem Land, in dem er zuletzt verarbeitet wurde? Je mehr Zutaten und je mehr Produktionsschritte ein Produkt umfasst, desto komplexer und weniger praktikabel ist "Herkunft" zu definieren. Gleichzeitig sinkt die Aussagekraft einer solchen Deklaration.
Eine andere im Raum stehende Forderung ist die nach einer Herkunftskennzeichnung der "Hauptzutat". Gewiss, in einigen Beispielen gibt es auch bei zusammengesetzten Lebensmitteln eine Hauptzutat. Bei vielen aber nicht. Das Lebensmittelrecht muss so entwickelt sein, dass es plausibel für alle Lebensmittel gelten kann.
Beispiel: Pizza mit Schinken und Pilzen
Gebacken in Deutschland mit folgenden Zutaten: Schinken aus Italien (aus holländischen Schweinen), Pilze aus Holland, Mehl aus verschiedenen Provenienzen (Polen, Deutschland), Käse aus Holland, hergestellt aus Milch verschiedener Provenienzen wie Deutschland/Dänemark, Tomaten aus Italien etc.
- Was ist hier die "korrekte" Herkunft des Produktes?
- Welches ist hier die Hauptzutat?
Für Verbraucher sind Qualität und Geschmack eines Lebensmittels die wichtigsten Kriterien. Um gleichbleibend gute Qualität zu gewährleisten, müssen die Hersteller oft rasch reagieren. Fällt die Ernte in einem Land schlecht aus, müssen sie auf Zutaten anderer Herkunft ausweichen. Für Lebensmittel wie Kaffee, Schokolade oder auch Fruchtsäfte ist es sogar typisch, dass durch flexible Mischungen von Rohstoffen aus verschiedenen Ländern eine harmonische Geschmackskomposition erzielt wird. Eine starre Herkunftskennzeichnung würde die Flexibilität der Hersteller stark einschränken und letzten Endes zu Lasten des vom Verbraucher gewünschten und geschätzten Geschmacks der Produkte gehen.
Beispiel: Apfelsaft
- Durchschnittliche Herstellungsmenge in Deutschland in den letzten 5 Jahren: 1 Mrd. Liter, davon rund 500 Mio. Liter in Deutschland selbst gekeltert (Eigenkelterung)
- Die Mindestqualitätsanforderungen an Apfelsaft sind in Deutschland geregelt (gesetzlich über die Fruchtsaftverordnung, zudem über die Leitsätze für Fruchtsäfte des Deutschen Lebensmittelbuchs)
- Für die Geschmackserwartung der Verbraucher ist Säure u. a. ein wesentlicher Punkt; die Säuregehalte der Äpfel schwanken nach Anbaugebiet/ Region (z. B. Italien gering, Polen hoch) und hängen zudem ab von Sorte, Witterungsbedingungen, Erntezeitpunkt usw.
- Apfelbäume folgen der Alternanz, d. h. niedriger Ertrag - hoher Ertrag - niedriger Ertrag usw. - dies führt´für die verarbeitende Industrie notwendigerweise zur Anpassung in der Beschaffung.
Fazit: Ernteschwankungen, Qualitätsunterschiede und Verfügbarkeit erfordern zwingend das Mischen ("Blend") verschiedener Apfelsäfte zur Absicherung gleichbleibender Geschmacks- bzw. Verbraucherqualität. Die amtliche Statistik zeigt, dass die Halbware Apfelsaftkonzentrat zur Herstellung von Apfelsaft aus 15 EU-Mitgliedstaaten und 13 weiteren Ländern kommt (Status: 2008).
Viel Aufwand - wenig Nutzen?
Neben erschwerten Produktionsprozessen bedeutet eine lückenlose Herkunftskennzeichnung für die Hersteller einen immensen Aufwand. Gerade kleinere Betriebe können die permanente Anpassung der Verpackung nicht leisten. Die Pflicht zur Nennung der Herkunft für Zutaten verursacht Kosten, die sich letztlich im Produkt niederschlagen und den Geldbeutel der Verbraucher belasten. Beim Einkauf der Zutaten brauchen Hersteller Flexibilität - um gute Qualität zu günstigen Preisen einkaufen und anbieten zu können. Zugleich ist der Informationsgewinn für die meisten Verbraucher kaum relevant. Die wichtigsten Informationen zur Herkunft von Lebensmitteln sind bereits durch bestehende Regelungen vorgeschrieben. Auch der Schutz vor Verbrauchertäuschung ist gesetzlich gewährleistet. Da erscheint es wenig zielführend, akribischen Aufwand und hohe Kosten zu verursachen, um Verbraucher am Ende mit einer Vielfalt verwirrender Herkunftsdetails und überbordenden Etiketten zu bedienen.