Kaffee ist ein Kulturgut
Herr Preibisch, wie viele Tassen Kaffee trinken Sie am Tag?
Ich trinke acht, aber nicht Tassen, sondern Becher. Für mich ist Kaffee ein Genuss, ein Grundnahrungsmittel. Kaffee hat so viele Wirkungen. Das ist ja das Spannende. Kaffee ist einerseits anregend, gibt den Kick und zur gleichen Zeit kann Kaffee auch Entspannung bringen. Und genau mit diesen beiden Wechselwirkungen komme ich sehr gut durch den Tag und durch das Leben.
Warum ist Kaffee in Deutschland und den nordischen Ländern so beliebt?
Kaffee ist hier ein Kulturgut. Er gehört fest zur Alltagskultur, etwa bei Redewendungen wie „Lass uns auf einen Kaffee treffen“. Seine Vielfalt – ob schwarz, mit Milch, süß oder kräftig – macht ihn für jeden Geschmack attraktiv. In Skandinavien wird noch mehr Kaffee getrunken, vor allem wegen der langen Dunkelheit, die Kaffee als Stimmungsaufheller nützlich macht. Überraschenderweise trinken Länder wie Italien und Spanien weniger Kaffee pro Kopf als Deutschland.
Ich habe „sizilianischer Espresso“ zu Hause – kommt der aus Sizilien oder woher stammt unser Kaffee?
In Europa gibt es keinen echten Kaffeeanbau. Sizilien ist bekannt für kräftiges Rösten, aber nicht für den Anbau. Die meisten Bohnen kommen aus Brasilien (über 35 Prozent), Vietnam, Kolumbien, Indonesien und Äthiopien. Äthiopien ist das Ursprungsland der Arabica-Bohne, während Robusta ursprünglich aus Uganda stammt.
Kann man den Unterschied zwischen brasilianischem und kolumbianischem Kaffee schmecken?
Ja, die Unterschiede sind deutlich. Auch der Unterschied zwischen ostafrikanischem und vietnamesischem Kaffee ist leicht zu erkennen.
Wie viele Kaffeesorten gibt es denn weltweit?
Im Wesentlichen gibt es zwei Hauptsorten: Arabica und Robusta. Arabica ist vollmundiger, während Robusta kräftiger im Geschmack ist. Innerhalb dieser Sorten gibt es dann aber viele Züchtungen, ähnlich wie bei Wein oder Äpfeln.
Und wie kommt die Kaffeebohne vom Baum bis in unsere Tassen?
Die Reise ist lang. Der Kaffeebaum muss beschnitten werden, um die Ernte zu erleichtern, die sowohl von Hand als auch maschinell erfolgen kann. Der Baum trägt gleichzeitig Blüten, unreife und reife Kirschen, was die Ernte kompliziert macht, da man idealerweise nur die reifen Früchte pflücken möchte. Nach der Ernte wird das Fruchtfleisch entfernt, was oft in Wasserbecken geschieht. Der Kirschkern muss dann in der Sonne trocknen, bevor er verpackt und auf den Seeweg nach Europa geschickt wird.
Die Reise kann je nach Herkunft fünf bis zehn Wochen dauern. In Europa wird der Kaffee entladen, gereinigt und gelagert. Beim Rösten bei etwa 200 Grad über 8 bis 20 Minuten entfaltet sich das Kaffeearoma. Die Bohnen werden danach abgekühlt, damit der Röstvorgang gestoppt wird, und müssen noch ausgasen. Schließlich wird der Kaffee verpackt, wobei ein Ventil das Entweichen von CO2 ermöglicht, ohne dass Sauerstoff eindringen kann. Dann gelangt der Kaffee zum Verbraucher, wo er gemahlen und aufgebrüht wird.
Welche Zubereitungsart ergibt den besten Kaffee?
Das hängt von den Vorlieben ab. Filterkaffee, Vollautomaten, Kapseln – alles hat seinen Reiz. Heute gibt es in vielen Haushalten mehrere Zubereitungsarten, um je nach Gelegenheit den passenden Kaffee genießen zu können. Kaffeezubereitung ist inzwischen auch ein Statussymbol in deutschen Küchen geworden.
Ist es eigentlich immer noch so, dass Kaffeebauern und Erntehelfer oft nicht genug verdienen, um gut zu leben? Gibt es Möglichkeiten, das zu ändern?
Ja, das ist ein ernstes Problem. Es ist nicht nur eine Frage des Kaffeeanbaus, sondern der allgemeinen wirtschaftlichen Situation in den Anbauländern, wo Mindestlöhne oft nicht eingehalten werden. Um fairen Handel sicherzustellen, gibt es das deutsche Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz. Wir führen regelmäßige Kontrollen und Audits durch, zahlen freiwillig mehr und nutzen Zertifizierungen. Aber bei zwölf Millionen Kaffeebauern weltweit, von denen viele nicht organisiert sind, ist es schwer, überall faire Bedingungen zu gewährleisten. Eine 100-Prozent-Garantie können wir leider nicht geben.
Kommen wir mal zu den gesundheitlichen Aspekten: Wie viel Koffein ist in einer Tasse Kaffee enthalten, und wie viele Tassen pro Tag sind unbedenklich?
Eine Tasse Kaffee enthält etwa 90 Milligramm Koffein. Jeder Mensch verarbeitet Koffein unterschiedlich, was erklärt, warum manche nach einer Tasse gut schlafen können und andere nicht. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit empfiehlt, nicht mehr als 400 Milligramm Koffein pro Tag zu konsumieren, was ungefähr vier Tassen entspricht. Für Menschen, die gerne mehr Kaffee trinken möchten, gibt es auch entkoffeinierten Kaffee.
Gibt es sonst noch Inhaltsstoffe im Kaffee, die erwähnenswert sind?
Ja, Kaffee ist reich an Antioxidantien, die vor oxidativem Stress schützen und positive Effekte auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs haben können. Studien haben gezeigt, dass Kaffee auch vor Alzheimer und Diabetes schützen kann. Die Chlorogensäuren und Antioxidantien im Kaffee tragen zu diesen gesundheitsfördernden Eigenschaften bei.
Warum gibt es in guten Cafés oft ein Glas Wasser zum Espresso? Entzieht Kaffee dem Körper tatsächlich Wasser?
Das ist ein Mythos. Kaffee zählt zum Flüssigkeitshaushalt und trägt wie Wasser oder Saft dazu bei. Wer nicht an Kaffee gewöhnt ist, könnte anfangs häufiger auf die Toilette gehen, aber das gleicht sich schnell aus. Das Glas Wasser dient dazu, den Mund vor dem Espresso zu reinigen, um den Geschmack nicht durch vorherige Speisen zu beeinträchtigen.
Und wie wird Kaffee entkoffeiniert, bleibt da wirklich kein Koffein zurück?
Es bleibt immer eine geringe Menge Koffein zurück, deshalb sprechen wir von „entkoffeiniert" und nicht „koffeinfrei". Der Prozess, der vor über 100 Jahren in Bremen entwickelt wurde, ist komplex: Die Kaffeebohnen werden mit Wasserdampf behandelt, um die Poren zu öffnen. Ein Lösungsmittel wird hinzugefügt, um das Koffein zu entfernen. Danach wird der Kaffee getrocknet und ist bereit für den Röstprozess.
Zum Schluss – was sind aktuelle Kaffeetrends?
Zwei Trends sind besonders bemerkenswert: Erstens wird Kaffee zunehmend heller geröstet, der sogenannte Blond Roast, der vor allem in Skandinavien beliebt ist. Zweitens gewinnt Cold Brew an Beliebtheit, besonders in den USA. Dieser kalt gebrühte Kaffee schmeckt milder und süßer, da er über mehrere Stunden in kaltem Wasser zieht. In Deutschland wird Cold Brew wahrscheinlich in den nächsten Jahren genauso verbreitet sein wie Cappuccino oder Filterkaffee.
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